S-Bahn-Ausschreibung: Öffnet der Senat die Büchse der Pandora?

Martin Rutsch

Nun ist es beschlossene Sache: Zwei Teilnetze (Nord-Süd-Strecke und Stadtbahn) der Berliner S-Bahn werden europaweit ausgeschrieben und es könnte sein, dass das Monopol durch die Deutsche Bahn gebrochen werden könnte. Das klingt gut insbesondere in den Ohren der Grünen, die das Projekt S-Bahn-Ausschreibung seit Langem angegehen wollten. So verwundert es auch nicht, dass die von den Grünen bestellte Verkehrssenatorin Regine Günther die Ausschreibung trotz Corona und anderen Widrigkeiten durchboxt.

Die Logik dahinter ist einfach: Als argumentative Monstranz wird die S-Bahn-Krise unter der rot-roten Regierung genommen. Damals, so die Argumentation, wäre das Monopol durch die DB der wesentliche Grund für die Krise gewesen. Also lautet die Konsequenz: Zerschlagung des Monopols zugunsten anderer Anbieter in der Hoffnung, dass der Wettbewerb es schon richten wird.

Dabei vergessen die Freund:innen der Zerschlagung nur einiges: Die S-Bahn-Krise ist bereits vor zehn Jahren gewesen, sodass das Argument mittlerweile einstaubt. Eine „freie Konkurrenz“, so wie die Ausschreibungsfans sie in ihrer Fiktion ausmalen, kann das S-Bahn-Netz nicht bieten: Erstens ist das Netz durch seine technische Beschaffenheit nicht an das übrige Netz anzuschließen und bildet somit ein „natürliches Monopol“; zweitens ist die DB weiterhin im Boot über die Ringlinie, für die sie die Ausschreibung schon zu einem früheren Zeitpunkt gewonnen hat.

Statt dem Credo „Der Markt wird’s schon richten“ gilt daher eher die alte Weisheit „Zu viele Köche verderben den Brei“. Konkret bedeutet das schlechteren Service, Koordinierungsprobleme und evtl. schlechtere Standards für die Beschäftigten. Auch wenn die Deutsche Bahn - spätestens seit ihrer formellen Privatisierung - kein Musterunternehmen ist, wirft das Szenario einer S-Bahn-Zerschlagung ihre Schatten voraus. Es liegt nun an der Stadtgesellschaft, sich aktiv gegen das Schreckgespenst zur Wehr zu setzen.

Martin Rutsch