Tag der Befreiung - Rede am sowjetischen Ehrenmal

Elisabeth Wissel

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

wir sind heute hier, um gemeinsam den Tag der Befreiung würdig zu begehen. Wir gedenken der über 27 Mio. Opfer, die die Befreiung vom Faschismus allein die Sowjetunion kostete. Insbesondere betroffen waren Russland, die Ukraine und Belarus.

Wir danken den Sowjetsoldaten, die durch ihren heldenhaften Einsatz 1945 dem Naziregime ein Ende setzten. Die Hauptlast bei der Zerschlagung des Faschismus trug die Sowjetunion. Doch wir gedenken heute auch der Alliierten und der Widerstandskämpfer im ganzen besetzten Europa. Besonders schlimm wüteten die Faschisten in der Sowjetunion, die sie zerstören wollten. Es war ein Vernichtungskrieg, ein imperialistischer Raubzug der schlimmsten Sorte.

Für Deutschland war der 8. Mai eine Befreiung von einer grauenhaften Diktatur und Ideologie, die 6 Mio. jüdischen Menschen, Minderheiten, Kranken, politischen Gegnern – so Kommunisten und Sozialdemokraten – und vielen anderen Menschen den Tod brachte. Elf Millionen kamen in deutschen Konzentrations- und Gefangenenlagern um. Elf Millionen! Überall in den besetzten Ländern Europas, aber nicht minder in Asien, wo der japanische Imperialismus besonders in China wütete, gab es viele Tote, auch 500.000 US-Amerikaner mussten den Kampf gegen den Faschismus mit ihrem Leben bezahlen.

Statt Bemühungen der Versöhnung, tobte bald nach 1945 in Deutschland und in Europa der Kalte Krieg, mit dem Feindbild der Kommunisten, vor allem in der Sowjetunion. Dem Feindbild entsprechend folgte auch bald die Gründung der NATO. 1955 stieg Deutschland mit in das sogenannte Verteidigungsbündnis ein, welches die Sowjetunion und deren Verbündete von Anbeginn als den Hauptfeind betrachtete. Schon die Zündung der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki war eine unheilvolle Botschaft an die Sowjetunion. Eine wirkliche Versöhnung und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit diesem Land und später mit Russland blieb im Westen Deutschlands aus.

Seit dem russischen Krieg in der Ukraine, in dem Deutschland Partei ergreift und die Ukraine mit massiven Waffenlieferungen unterstützt, wuchert geschichtsvergessen die Russophobie. Über die Vorgeschichte dieses Krieges zu reden wird immer schwieriger, und der Meinungskorridor wird immer enger.

Die Situation hierzulande empfinden derzeit viele Menschen als sehr besorgniserregend. Eine Militarisierung wird allerorten vorangetrieben. Selbst der Kinderkanal KIKA hat keine Hemmungen, Kindern Kriegsgerät wie die TAURUS-Waffe als etwas Positives darzubieten.

Bei all dem unermesslichen Leid, das von Hitler-Deutschland ausging, sind viele Menschen heute nur noch fassungslos, welch kriegslüsterne Rhetorik von der herrschenden Politik, den sogenannten Qualitätsmedien und der NATO ausgeht.

Deutschland muss wieder kriegstüchtig werden, so der Verteidigungsminister Pistorius, er nimmt so bewusst oder unbewusst eine Eskalation des Krieges in Kauf. Der alte und der neue Feind soll Russland sein.

Die Bundesrepublik sollte in dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine vielmehr vermitteln und eine positive Rolle einnehmen. Ein wichtiger Schritt wäre auch, den zunehmenden Kriegsdienstverweigerern aus der Ukraine, Schutz zu bieten und nicht auszuweisen, weil sie keinen gültigen Pass haben. Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht und das gilt auch im Kriegsfall.

Des Weiteren sollte Deutschland seiner historisch notwendigen Rolle nach Versöhnung und Aufbau von Vertrauen endlich gerecht werden und aufhören weiter todbringende Waffen in die Ukraine zu liefern.

Frieden in Europa gelingt nur, wenn auch Russland mit einbezogen wird, mit der Bereitschaft, aufeinander zuzugehen.

Elisabeth Wissel