Willkür gegenüber den Menschen, mutlos gegenüber den Konzernen: Die Energiepolitik der Bundesregierung

Raoul Didier

Egal, ob Gas, Strom, Heizöl oder Benzin, die Energiepreise sind drastisch gestiegen und ein Ende ist nicht in Sicht. Schnell waren sich die EU, die USA und etliche weitere Industriestaaten einig, Russland wegen des Ukrainekrieges finanziell in die Knie zwingen zu wollen. Gegenüber den großen westlichen Energiekonzernen, die besonders von der Sanktionspolitik profitieren und häufig dort ansässig sind, wo der Boykott Russlands am lautesten eingefordert wird, geben sie sich hilflos. Keinen Gedanken verschwenden die Regierenden daran, wie man Öl- und Gaskonzerne sowie Kraftwerksbetreiber zu einer anderen Preispolitik zwingen oder ihre Extra-Profite abschöpfen könnte. Der Spekulation an den Energiebörsen werden keine Grenzen gesetzt.

Damit die Sanktionspolitik dennoch nicht in Zweifel gezogen wird, greift die Bundesregierung tief in die Kasse, um die Belastung der Privathaushalte ein wenig abzufedern. Mit verschiedenen Einmalzahlungen, der Anhebung bestimmter steuerfreier Pauschalen und der Subventionierung der Kraftstoffpreise versucht sie dies zu erreichen. Da die Preise zwar für alle steigen, ärmere Haushalte aber einen größeren Anteil des Einkommens für Energie und den sonstigen täglichen Bedarf ausgeben müssen, wäre es nach dieser ökonomischen Binsenweisheit naheliegend, diese auch stärker zu entlasten.

Aber genau dies passiert nicht oder völlig unzureichend: Zwar sollen beispielsweise Erwachsene im Hartz-IV-Bezug eine Einmalzahlung von 200 Euro und Arbeitslosengeld I-Berechtigte nur 100 Euro erhalten. Berufstätige sollen jedoch eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro erhalten. Menschen, die hingegen nur Rente beziehen oder als Studentin oder Student kein weiteres Einkommen erzielen, werden gar keine Einmalzahlung erhalten. Oder sie und ihre Mitbewohner müssen gleich so arm sein, dass sie Anspruch auf Wohngeld haben. Dann kann je nach Anzahl der Personen im Haushalt ein Heizkostenzuschuss ab einer Höhe von 270 Euro ausgezahlt werden.

Man sieht, dass bei der groß angekündigten Entlastung für die Bevölkerung völlige Willkür herrscht. Diese ist auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass jetzt alles ganz schnell gehen musste. Seit mehr als 15 Jahren hat jeder Einwohner dieses Landes eine lebenslange Steuernummer, die mit den wichtigsten Meldedaten verknüpft ist. Darüber hätte längst ein funktionierender Zahlungsweg an alle Bürger entwickelt werden können, über den wenigstens allen ein gleich hoher Betrag hätte ausgezahlt werden können. Der herrschenden Politik fehlt einerseits schlichtweg der Sinn für grundlegende soziale Gesichtspunkte. Andererseits fehlt ihr jeglicher Mut dazu, den Profiteuren der Ukraine-Krise ins Handwerk zu pfuschen. Die für die Sommermonate vorgesehene Absenkung der Energiesteuer auf Benzin und Diesel verbindet sie mit der kraftlosen Hoffnung, dass sie an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden soll.

Raoul Didier