Sommeruniversität der Europäischen Linken

Transform-Seminar: European Crisis and the Evolution of a new Political Landscape

Portaria, 20.7.2012

Kann der Erfolg der griechischen Linken bei den letzten Wahlen für Linke in anderen europäischen Ländern lehrreich sein? Das fragte Haris Golamis, Direktor des griechischen Nicos Poulantzas Instituts, zur Eröffnung der Veranstaltung und nannte folgende Faktoren, die sich länderspezifisch unterschiedlich ausprägen und die für Erfolg oder Misserfolg der Linken in der Krise ausschlaggebend sein können:

1)      unterschiedliche Krisenausprägung,

2)      unterschiedliche Macht des betreffenden Mitgliedsstaats innerhalb der EU (Platz in der imperialistischen Rangordnung),

3)      politische und kulturelle Traditionen.

In Griechenland habe die Intensität der Krise zum Wahlerfolg von SYRIZA ebenso beigetragen wie die kluge inhaltliche Positionierung, die SYRIZA trotz der Denunziationen von links und rechts aufrecht erhielt, während sie von der kommunistischen KKE als zu pro-europäisch und von den jetzigen Regierungsparteien ND, PASOK und DIMAR als anti-europäisch attackiert wurde. Ein wesentlicher Faktor sei natürlich auch die Persönlichkeit des Spitzenkandidaten Alexis Tsipras gewesen.  

Der Vorsitzende der Europäischen Linken (EL), Pierre Laurent, verwies auf die Zuspitzung der Auseinandersetzungen in der EU, wo in Jahrzehnten erstrittene soziale Rechte in kürzester Zeit abgebaut werden und wo gleichzeitig mit der Vertiefung der (neoliberalen) Integration die Zustimmung der Bevölkerung zu Europa abnehme. Die gewaltigen Veränderungen riefen Furcht hervor, so Laurent, und bewirkten wiederum extreme Veränderungen bei Wahlen (Frankreich, Spanien) und den Aufstieg von Rechtsextremen. Als Beleg dafür führte er auch den Aufstieg von Sarkozy in der bürgerlichen Rechten Frankreichs an. Eine neue Rechte profiliere sich mit einem pseudo-sozialen Diskurs. In diesem Zusammenhang formulierte Laurent folgende Perspektiven, an denen die Linke ansetzen muss:

1)      Die Krise bietet Gelegenheit zur ideologischen Auseinandersetzung.

2)      Linke sind in Gewerkschaften anhaltend stark verankert, auch wenn sie keinen starken parteiförmigen Ausdruck haben (Bsp. Belgien).

3)      Die Linke muss nationale und europäische Kämpfe zusammenführen.

4)      Es gilt, klug auf neue Erscheinungen des sozialen Protests zu reagieren (Bsp. Spanien).

Pierre Laurent verwies auf die Initiative „1 Million Unterschriften für eine öffentliche europäische Bank“, die als Vektor für den Kampf um Alternativen auf europäischer Ebene betrachtet werden müsse.

Elisabeth Gauthier, Vorsitzende der französischen Stiftung Espace Marx, stellte zunächst die strategische Defensive der Linken fest: Der Finanzkapitalismus habe seine Festung gehalten, die Oligarchie habe Bestand und werde durch die Protestierenden noch nicht ernsthaft erschüttert. Während die Wahlen in Griechenland tatsächlich einen Bruch in breiten Teilen der Gesellschaft mit dem Bestehenden zum Ausdruck gebracht hätten, sei dies in Frankreich so nicht der Fall.

Die Linke müsse vor diesem Hintergrund

-         radikale Kritik entwickeln und eine neue Demokratie begründen,

-         wagen, die Machtfrage zu stellen (gilt nicht nur für Parteien, sondern auch für Bewegungen sowie Bürgerinnen und Bürger),

-         einen neuen strategischen Block unter Einbeziehung von Immigranten und Mittelschichten als Kern für eine künftige Hegemonie bilden,

-         das Zeitfenster für die Kampf um die Neugründung Europas nutzen.

Die italienische Aktivistin Raffaella Bolini von ARCI widersprach der verbreiteten Auffassung, je tiefer die Krise, desto stärker werde die Linke. Viele Menschen seien bereit für Veränderung, so Bolini, aber sie wären noch ängstlich, würden auf eine glaubwürdige Alternative warten und hätten kein Vertrauen in die Politik. Die Herausforderung für die Linke bestehe darin, das Misstrauen zu überwinden und sich Glaubwürdigkeit dadurch zu geben, dass sie Macht an soziale Bewegungen abgibt. Außerdem plädierte Bolini dafür, die sozialen Bewegungen in Osteuropa endlich als gleichrangig anzuerkennen. Sie warnte davor, die Sozialforenbewegung als „Luxus für gute Zeiten“ abzutun, und berichtete vom Vorbereitungstreffen für das nächste Weltsozialforum in Monastir/Tunesien, an dem 2000 Menschen teilgenommen hätten.

In der Diskussion betonte Fabio Amato von der Rifondazione Comunista, die Sozialdemokratie könne nicht Teil der Lösung sein, da sie Teil des Problems sei. In Italien demontiere gegenwärtig die Technokraten-Regierung unter Ministerpräsident Monti – mit der Unterstützung sowohl durch die rechten Parteien, als auch durch die sozialdemokratische DP – das Rentensystem, die Arbeitnehmerrechte und die Verfassung. Währenddessen bleibe die Linke in ihrem Protest weitgehend allein. Es gebe auch zu wenig Mobilisierung durch die sozialen Bewegungen, beklagte er. Stefan Lindner von Attac sprach vergleichbare Mobilisierungsprobleme auch in Deutschland an.  

Haris Golamis bestätigte, dass eine Kooperation mit den Kräften der politischen Mitte nicht möglich sei, da sie derzeit mit ihrer technokratischen und an den Märkten orientierten Politik als anti-demokratisch wirkten.

Das Verhältnis zwischen dem Kampf um demokratische und dem um soziale Rechte war Gegenstand einer kurzen Debatte zwischen Plenum und Podium. Auf Nachfrage kläre Raffaella Bolini, dass für sie der Kampf um demokratische Rechte die Voraussetzung biete, um soziale Rechte zu verteidigen bzw. zu erkämpfen.

Abschließend hob Pierre Laurent folgende Herausforderungen für die Linke im Hinblick auf die Europawahlen 2014 hervor:

-         Klassenkampf statt Kampf zwischen Nationalitäten,

-         gemeinsamer Auftritt der EL (erst recht angesichts der Tatsache, dass bei diesen Europawahlen erstmals tatsächlich europäische Themen im Vordergrund stehen werden),

-         kulturelle Zusammenarbeit (hier betont der die Rolle von transform!): eine gemeinsame politische Kultur muss entstehen.