Auswertung der EU-Wahl – jetzt nicht mit Zahlen jonglieren, sondern politisch Aufarbeiten!

Stanislav Jurk

Die Ergebnisse der Linken bei der Europawahl sind desaströs. Es gibt nichts schönzureden. Natürlich ist der Rechtsruck besorgniserregend. Zuallererst müssen wir uns aber an die eigene Nase fassen. Die Stärke der rechtskonservativen und rechten Parteien ist nicht zuletzt mit der Schwäche der Linken verbunden, die scheinbar keine überzeugenden Angebote auf den Tisch legen konnte. Deshalb ist die beste Politik gegen die Wahl rechter Parteien, eigene, überzeugende Angebote zu bieten. Diese haben wir allemal, doch erreichen und überzeugen sie die Menschen nicht. Und damit geht der politische Wert dieser Angebote gegen Null – empirisch liegt dieser Wert bei genau 2,7 Prozent. Die Ergebnisse zeigen also unzweideutig, dass wir mit unseren Angeboten – seien diese inhaltlich noch so gut – nicht überzeugen konnten.

Nach der Auswertung der Wahlbezirke in Tempelhof-Schöneberg, lassen sich für uns vorsichtige Rückschlüsse ziehen: Da wo wir besonders aktiv waren, sind die Ergebnisse entsprechend besser. Insgesamt haben wir in unserem Bezirk weniger Verluste hinnehmen müssen, nicht nur im Vergleich zu den Ost-Bezirken (und Ost-Bundesländern). Die Linke Tempelhof-Schöneberg bleibt hinsichtlich der Verluste und erreichten Stimmen relativ stabil. Es ist kein Grund zur Freude aber es zeigt Ansätze auf, an denen wir als Bezirksverband festhalten und diese auch ausbauen müssen. Nichtsdestotrotz können wir nicht zufrieden sein und es braucht mehr als nur eine bezirkliche, rein quantitative Auswertung. Es braucht vielmehr eine qualitativ-strategische Aufarbeitung der politischen Entscheidungen der Parteispitze.

Genau darüber diskutieren wir als Mitglieder dieser Partei. Über die konkrete Strategie des EU-Wahlkampfs, mit dem Parteivorsitzenden Martin Schirdewan und der Aktivistin Carola Rackete anzutreten. Über die Sichtbarkeit und Stärke unserer Positionen in der Gesellschaft. Sehr viel über unsere Positionen in der Friedenspolitik, die angesichts der Verantwortung und der großen Sorgen, viel zu zaghaft waren, um bloß nichts falsch, aber auch nichts richtig zu machen. Und natürlich darüber, welche Schlüsse wir als Gesamtpartei aus dem desaströsen Ergebnis ziehen müssen, um uns nicht nur aus der Existenzkrise an den eigenen Haaren herauszuziehen, sondern auch, um als ernstzunehmende Kraft, der fatalen politischen Entwicklung entgegenzutreten. Sowohl programmatisch als auch personell. Unser Beitrag als Die Linke Tempelhof-Schöneberg darf nicht nur ein kommunalpolitischer sein, sondern muss auch kritisch an der Schwerpunktsetzung im Landes- und Bundesverband ansetzen.