Lass dir nichts einreden. Sieh selber nach!
„Du willst Sozialismus? Geh doch mal nach Kuba und guck, wie schlecht es den dort Menschen geht.“ Diesen oder ähnliche Sätze hören wir häufiger, wenn wir mit Menschen über Politik reden, die sich nicht als links verstehen. Um das Argument zu entkräften, junge Menschen, die nach dem Mauerfall geboren sind, wüssten überhaupt nicht, wie es sich im Sozialismus lebt, organisierte die Linksjugend Solid gemeinsam mit dem Studierendenverband SDS und Cuba Sí eine Delegationsreise für 25 Menschen nach Kuba.
Unsere Reise begann mit einem Vorbereitungstreffen in Berlin, natürlich in der Roten Insel in Schöneberg. Dort besuchte uns auch die kubanische Botschafterin, sodass wir uns schon vor der Reise austauschen konnten. Als Brigade zum 1. Mai begann unsere Reise bereits Mitte April. Das Institut für Völkerfreundschaft auf Kuba organisierte für uns einen straffen und eindrucksvollen zweiwöchigen Zeitplan, der uns ermöglichte, die Geschichte der Revolution und das Leben heute auf Kuba zu verstehen. In Havanna hatten wir z.B. ein Treffen mit der Leitung des Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP) und ein Gespräch zur aktuellen wirtschaftlichen Situation auf Kuba.
Die Einstufung Kubas als ‘state sponsor of terrorism’ (staatlicher Förderer des Terrorismus) durch die USA erschwert die derzeitige Situation und begünstigt zusätzliche US-amerikanische Maßnahmen gegen Kuba. Es kommt u.a. zu Medizinmangel und der Verhinderung von Deviseneinnahmen (?). Im November 2023 beschäftigte sich ein Tribunal aus europäischen und US-amerikanischen Jurist*innen im EU-Parlament mit der Frage, ob die US-Blockade ein Akt des Völkermords ist. Das Ergebnis ist klar: die Blockade ist völkerrechtswidrig. Doch mit ihrem Ende rechnet auf Kuba niemand. Intensiviert werden momentan Projekte zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Ernährungssicherheit. Mit der Volksabstimmung 2019 zur Aktualisierung der Gesetzgebung werden die Autonomie der lokalen Bezirksregierungen gestärkt und internationale Beziehungen vertieft. Das ICAP betont die Wichtigkeit kubasolidarischer Partner und bedankt sich herzlich für die von uns mitgebrachten Spenden. Immer wenn wir über Kuba reden, muss uns bewusst sein, dass die USA ein massives Wirtschaftsembargo gegen Kuba verhängt hat. So gut wie keine Güter, sei es für die Lebensmittelproduktion, für das Gesundheits- oder das Bildungswesen, kommen ins Land. Firmen oder Länder, die mit Kuba handeln, werden von den USA wirtschaftlich sanktioniert. Unternehmen müssen abwägen, ob sie ihre Güter nach Kuba bringen, wenn ihr Absatzmarkt in den USA dadurch einbricht. Produkte mit über 7 Prozent Anteil von amerikanischen Unternehmen können nicht nach Kuba. Die USA verhindert das.
In der Praxis bedeutet das: Eigentlich darf nichts nach Kuba. Da würde kein Wirtschaftssystem mit zurechtkommen. Die schlechte wirtschaftliche Situation hat zusammenfassend nichts mit dem Sozialismus zu tun. Stattdessen viel mehr mit den kapitalistischen USA, die die Insel für sich selbst beanspruchen. Dennoch versucht Kuba nicht tatenlos zuzusehen. Beispielsweise wird die Politik aktuell stärker dezentralisiert und den einzelnen Gebieten mehr politische Autonomie gegeben. Kuba gibt den Menschen die Möglichkeit, eigene Läden zu eröffnen, damit Firmen mit Einzelpersonen handeln können und nicht mit dem Staat Kuba. Ob die Strategie aufgeht, wird sich zeigen. Was wir aber auch gelernt haben: Die Regierung geht transparent mit der schwierigen Situation um. Sie sagen von vornerein, dass die Entscheidungen ständig reflektiert werden müssen. Sie gestehen sich Fehler ein und leben eine Kultur, in der verständlich ist, dass nicht alles sofort funktionieren kann. Wir hoffen, dass Kuba diesen Weg weitergehen kann und sich als sozialistischer Staat hält.
Unsere Reise brachte uns in Museen, Gedenkstätten und Bildungseinrichtungen. Außerdem halfen wir in der Landwirtschaft und besuchten Kulturzentren oder Einrichtungen des Bildungssystems. Vor allem die älteren Menschen, die die Revolution und Fidel Castro selbst erlebten, wissen, was sie der Revolution zu verdanken haben. Kuba hat eine höhere Alphabetisierungsquote als Deutschland oder Amerika. Das Gesundheitssystem ist außerordentlich gut ausgeprägt. Was fehlt sind die Medikamente, weil diese, dank der US-Blockade, nicht ins Land können.
Die Feierlichkeit am ersten Mai an der antiimperialistischen José-Martí-Tribüne in Havanna bildete den Höhepunkt der zweiwöchigen Brigadereise. Gemeinsam mit 200.000 Einwohnern Havannas und als Teil von mehreren tausend Besuchern aus 58 Ländern und etwa 220 Gewerkschaftsorganisationen, Solidaritätsgruppen und Brigaden bejubelt auch die deutsche Delegation in den frühen Morgenstunden den internationalen Arbeitertag. Die Hauptrede der zentralen Kundgebung hielt Ulises Guilarte de Nacimiento, Generalsekretär des Kubanischen Gewerkschaftsbundes CTC und Mitglied des Politbüros der Partei. Darin beschreibt er die derzeitige komplexe und schwierige sozioökonomische Situation Kubas, die sich nicht ohne die US-Blockade analysieren lässt. Die Wirtschaftsblockade beeinträchtigt den Handel mit Kuba erheblich und macht ihn nahezu unmöglich. Die Probleme und Mängel, die daraus resultieren, sind in jeder Faser des Kubanischen Alltags spürbar.
Wir sind sehr dankbar für die Erfahrungen und den Austausch. Den Großteil der Zeit verbrachten wir im internationalen Camp „Julio Antonio Mella“. Gemeinsam mit Genoss*innen aus vielen Ländern, vor allem des globalen Südens, konnten wir über den Sozialismus und die damit verbundenen Herausforderungen reden. Eine spannende Zeit und eine Reise, die wir gerne mehr Menschen ermöglichen wollen und niemals vergessen werden.