Abriss von einfachen Wohnungen, jetzt aber „sozial gerecht“?

Wir dokumentierten in der letzten Ausgabe zwei Anträge von DIE LINKE (Drs. 0379 und 0384) zu „Erschwinglichen Wohnraum sichern - Kommunale Eingriffsmöglichkeiten ausbauen“. Beiden Anträgen drohte schon in der letzten BVV die Ablehnung. Sie wurden wegen fortgeschrittener Zeit auf den November vertagt. Die Fraktionen von SPD und Grünen wollten dagegen stimmen, signalisierten aber, dass sie für die Zielrichtung der Anträge Sympathie hätten. Die Instrumente müssten aber genauer bedacht und formuliert werden. Wir wollen darüber gerne Gespräche führen und würden uns freuen, wenn es zu gemeinsamen Ergebnissen/Anträgen kommt.

Demgegenüber haben SPD und Grüne (Drs. 0435) einen Antrag „Sozial gerechte Bodennutzung“ in der Oktober-BVV durchgebracht, dem die Verordneten von DIE LINKE nicht zustimmen konnten. Wir sahen in der allgemeinen Formulierung „in Fällen von planungsrechtlichen Aufwertungen“ die Gefahr, dass weitere Abrisse und planungsrechtliche Eröffnung verdichteter Bebauung stärker vom Stadtentwicklungsamt gefördert werden, bloß etwas mehr sozial kaschiert. Am Barbarossaplatz, für den die SPD einige Kritik abbekam, war noch nicht einmal so eine Klausel (20% Belegungsrechte) mit dem Investor vereinbart worden.

Aber wie am Barbarossaplatz argumentieren Investoren mit der „Unternutzung“ von Grundstücken, wenn sie größere, höherwertige Wohnungen neu bauen und vermarkten wollen. Sie treffen auf einen Senat, der die „Nachverdichtung“ in den Innenstadtbereichen immer noch fördert. Dieser Betrachtung stellen wir uns grundsätzlich entgegen: 1) Bei Abrissen wird einfacher Wohnraum durch höherwertige Wohnungen ersetzt (und meist als Eigentum vermarktet). 2) Nachverdichtung und Schließung jeder Lücke entsprechen nicht mehr den Erkenntnissen über die Entwicklung des Stadtklimas. In Sonntagsreden und Entwicklungsplänen wird die Bewahrung von Grünoasen beschworen, bloß nicht in der praktischen Bauplanung.

Selbst wenn es, wie die Begründung nahelegt, um die Wertsteigerung bei Brachflächen (z.B. ehemalige Bahngelände, wie vor der Eylauer Straße, an der Bautzener Straße und am Wilmersdorfer Güterbahnhof) ginge, ist die Absicht fragwürdig. Da sich teilweise erhebliche Kritik auch im Umfeld dieser Bebauungen entwickelt hat, ist natürlich eine „Sozialklausel“ auch dort hilfreich, den Widerstand aufzuweichen.

 

Dokumentiert:

Sozial gerechte Bodennutzung

Die BVV ersucht das Bezirksamt, in Fällen von planungsrechtlichen Aufwertungen von Grundstücken für verdichtete Wohnbauvorhaben im inneren Stadtbereich (Ortsteile Schöneberg, Friedenau, Tempelhof (Nordteil)) über das Instrument des Durchführungsvertrags Belegungsrechte an Wohnungen für Mieter mit geringem Haushaltseinkommen zu sichern (Wohnberechtigungs-schein WBS, Berliner Grenzen).

Der Anteil der zu sichernden Wohnungen auf dem jeweiligen Grundstück soll im Verhältnis zum Maß der angestrebten Aufwertung stehen und ist auf dem Wege von Einzelverhandlungen mit dem jeweiligen Eigentümer zu bestimmen. Zielgröße ist eine Sicherung von 20% der zu Realisierung anstehenden Zahl der Wohnungen. Die grundlegende Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens soll dadurch nicht in Frage gestellt werden.

Zur Durchführung und insbesondere zur Frage der Mietbemessung und der Verankerung der öffentlichen Rechte am Objekt ist zunächst ein Verfahrensvorschlag zu entwickeln, der der BVV ist bis Ende Januar 2013 zur Zustimmung vorzulegen ist.

Begründung:

Die Allgemeinheit soll an den Wertzuwächsen angemessen teilhaben, die Grundstückseigentümer durch planungsrechtliche Heraufstufung von Grundstücken erfahren und realisieren (z.B. BNP-58/60-Gebiete, ehem. Bahnflächen etc.). Die Bereitstellung von Wohnraum auch für Bürger mit geringeren Einkommen dient im Interesse der Allgemeinheit der sozialen Stabilität.