Autonome Kleinbusse in Schöneberg - haben wir

Martin Rutsch

Erneut haben wir eine Diskussion über autonome Kleinbusse in unserem Bezirk.
Autonome Kleinbusse, das sind die selbstfahrenden Vehikel, die jetzt zum Beispiel in Tegel herumfahren und als neueste Mode im modernen ÖPNV gelten.
Das sind die Busse, die zurzeit eine Handvoll Leute im Schritttempo 1,2 Kilometer in Berlin ohne Fahrer transportieren.
Auf dem Fahrrad überholt man den Bus zwei Mal - und zwar hin und zurück.
Doch dieses Thema verspricht für manche heute die Spitze der gegenwärtigen Entwicklung im Personennahverkehr zu sein, wobei die Betonung angesichts der 1,2 km auf „nah“ liegt. Die letzten Diskussionen in der BVV haben eine grundsätzliche Einigkeit bei den Fraktionen von SPD bis AfD gezeigt, dass autonomes Fahren prinzipiell gut sei, ohne sich der weiteren Konsequenzen bewusst zu sein.
Autonomes Fahren ist keine ausgereifte Technologie. Was wir bislang haben in Berlin, sind Pilotprojekte wie der Kleinbus in Tegel, über den es erst Ende des Jahres verlässliche Daten geben wird. In der Zwischenzeit sollten wir uns zunächst erst prinzipiell über Vor- und Nachteile von autonomen Kleinbussen unterhalten, bevor wir konkrete Vorhaben planen. Denn nicht jede Innovation bedeutet Fortschritt und nicht jede Neuerung bedeutet Verbesserung.
Es ist der falsche Weg, autonomes Fahren prinzipiell zu befürworten, nur weil es am Firmament der technologischen Innovation hell leuchtet. Bei dem Schein droht die Gefahr einer Verstrahlung.
Und wenn man sich in der BVV die Reden insbesondere von SPD und CDU anhört, die ihre Argumente gebetsmühlenartig auf die Zuhörenden eindreschen, dann fragt man sich, ob diese Parteien sich eingehender mit dem Thema beschäftigt haben. Vielmehr scheint es, dass mit der bewussten Standortwahl in der Torgauer Straße für den ersten autonomen Kleinbus im Bezirk die SPD und die CDU im Interesse des Gasometers und dessen Besitzers Reinhard Müller handeln.
Ein Schelm, wer eins und eins zusammenzählt… Parallel zu diesen Hinterzimmer-Machenschaften haben wir in dieser Stadt nichts weniger als die Verkehrswende in Angriff genommen: Weniger mobilisierter Individualverkehr, weniger Emissionen, mehr öffentliche Verkehrsmittel, mehr Rad- und Fußverkehr – das ist das Ziel. Es müsste alles viel schneller gehen und der Senat könnte schneller sein, doch ob gerade autonomes Fahren hier den notwendigen Schub bringt, bleibt fraglich.
Denn selbst wenn die autonomen Kleinbusse wie in Tegel mit Elektroantrieb fahren, bleibt ihre Umweltbilanz negativ, weil E-Mobilität keine ressourcensparende Technologie ist. Wir sollten den engen bezirklichen Rahmen spätestens verlassen, wenn es um den Abbau von Lithium und Kobalt geht, der das Bild der klimaneutralen und umweltschonenden Technologie zerstört. Diese Metalle sind notwendig für die Batterien der autonomen Kleinbusse und werden unter anderem in Südamerika und Afrika, also fernab von der Fraktionszimmern der SPD und CDU, teils zu Bedingungen abgebaut, die jede Diskussion um Baumfällungen und Grünbebauung im Bezirk lächerlich erscheinen lassen. Dort findet Umweltzerstörung und Raubbau an der Natur im großen Stil statt, und es wird stillschweigend hingenommen. Autonome Kleinbusse mit Elektroantrieb sind daher die Wende innerhalb der Verkehrswende und wir drehen uns im Kreis, wenn wir denken, damit eine nachhaltige Technologie gewonnen zu haben. Das Gegenteil ist der Fall.
Einen weiteren Aspekt sollten wir nicht außer Acht lassen: Was heißt es denn, auf lange Sicht autonomes Fahren im öffentlichen Nahverkehr zu etablieren?
Es heißt, dass immer weniger Menschen gebraucht werden, die die Busse fahren. Es ist der Beginn eines strukturellen Wandels, der am Ende die Frage nach Arbeitsplätzen stellt. Hier zeichnet sich ein Abbau von Arbeitsplätzen ab. Heute mag das noch kein Problem sein, der Bus in Tegel gefährdet niemanden mit Ausnahme des fließenden Verkehrs.
Doch eines ist klar: Sollte sich der autonome Bus zu einer ausgereiften Technologie entwickeln, und das wird geschehen, dann steht der Wegfall von Arbeitsplätzen auf der Agenda – Arbeitsplätze von Busfahrerinnen und Busfahrern, die heute von unschätzbarem Wert für das Funktionieren dieser Stadt sind. Es gilt auch hier: Nicht jede Innovation bedeutet Fortschritt. Und nicht alles Neue muss etwas Besseres für die Menschen sein.
Martin Rutsch