Coronakrise trifft die Ärmsten besonders hart

Elisabeth Wissel

Obwohl die Zahl der Obdachlosen in Berlin und im Bezirk im Januar bei der Zählung geringer als erwartet ausgefallen war, bleibt es doch eine Tatsache, dass Obdachlosigkeit existiert und augenscheinlich wieder zugenommen hat. Es gibt nicht genug Wohnungen für einkommensarme Menschen und keine kommunale Liegenschaft mehr für die Unterbringung von Wohnungslosen und zu wenige Plätze für das geschützte Marktsegment.

Besonders EU-Ausländer:innen aus osteuropäischen Staaten, die nach erfolgloser Arbeitssuche auf der Straße gelandet sind, haben dabei einen schweren Stand. Hier handelt das Bezirksamt nach Einzelfall und stellt eine Notunterkunft bereit. Insgesamt sind gegenwärtig 2123 Haushalte in einer Einrichtung untergebracht, davon 316 Paare mit drei Kindern und mehr und 1394 Einzel-Personen. Bei beiden Gruppen ist die Verweildauer mit über drei Jahren am höchsten. Der Anstieg gegenüber den Vorjahren ist dabei beträchtlich. Es macht die Not der Menschen, die von ihrem Alltag entwurzelt sind, deutlich, die in einer reichen Gesellschaft nicht sein dürfte. Behörden könnten hier Abhilfe schaffen, allein mit der Abschaffung von Sanktionen und Zwangsräumungen durch Jobcenter und Sozialamt, aber zu diesen Maßnahmen wäre vor allem die Bundesregierung gefragt, die eher mit kleinen Hilfsprogrammen arbeitet, anstatt das Problem insgesamt anzugehen.

Generell sind die Antworten auf eine Kleine Anfrage von mir zu „Wohnungs- und Obdachlosigkeit im Bezirk“ eher dürftig. Es wird keine Statistik zu den Fallzahlen und den Ursachen der Wohnungslosigkeit geführt, wie z.B. Mietschulden oder andere Gründe. Prävention, wie beispielsweise aufsuchende Arbeit, wird gut beschrieben, alles was vom Bezirksamt möglich ist, jedoch sind hilfreiche Ergebnisse eher die Ausnahme. So scheitert die bezirkliche Prävention an ihren eigenen Vorgaben. Verwiesen wird auf das Fachstellenkonzept „Soziale Wohnhilfen“, wo eine Umstrukturierung in den Aufgaben „realisiert“ worden sei. Vieles wird jedoch nicht umgesetzt. So haben aufgrund von Personalschwierigkeiten 2019 nur wenige Hausbesuche stattgefunden. Auch gibt es keine Kooperationen mit den regionalen Krankenhäusern für die medizinische Versorgung von Obdachlosen. Krankenhäuser „können“ die Soziale Wohnhilfe informieren. Ob dann ein medizinischer Fachdienst befürwortet wird, hängt wiederum vom Gesundheitsamt ab. Eine angemessene Unterstützung ist so nicht gewährleistet. Eine Nachbetreuung oder Nachversorgung gibt es nicht.

Auch ist unklar, wie die Regelung ist, wenn jemand aus einer Obdachlosen-Einrichtung sich mehr als drei Tage im Krankenhaus aufhält. Kann er dann wieder zurück in seine Einrichtung? Denn nach drei Tagen Nichtanwesenheit wird der freie Platz vom Amt nicht mehr finanziert.

So trifft die Coronakrise die Ärmsten besonders hart, denn sie tragen das größte Risiko, entweder immungeschwächt auf der Straße oder in einer Einrichtung mit Mehrbett-Zimmern. Die Hoffnung bleibt, dass u.a. die Unterbringungspraxis mit einer gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung, angestoßen durch DIE LINKE, dann besser funktioniert.

Elisabeth Wissel