Der Kampf um Schönebergs Wohnungen

Kampf – ist das nicht zu martialisch ausgedrückt? Nein, es ist für Viele jetzt schon Kampf und für Andere rückt das Kämpfen näher.

Schlaglichter aus den letzten Wochen:

Da schreibt der Tagesspiegel am 21.4. in seinem Immobilienteil, dass Schöneberg „schwer im Kommen“ sei. Aus den letzten Wohnungsmarktberichten fasst er zusammen, dass bei Neuvermietungen Steigerungen von bis zu 20 Prozent (PLZ-Gebiet 10825, beim Rathaus Schöneberg) zu verzeichnen sind. Neumieten kommen dort durchschnittlich auf 8,73 € je Quadratmeter, dem stehen Viktoria-Luise-Platz mit 8,53 € und Akazienstraße (8,48 €) nur wenig nach.

Verschiedene Neubauprojekte zeigen, dass für Schöneberger Lagen kaufkräftiges Publikum gefunden wird. Preise von 3.500 bis 3.900 € pro Quadratmeter sind möglich (also 100 m² = 390.000 €). Diese Ansiedlungen verändern die Kieze und ziehen neue Investitionen nach sich. Bisherige Mietwohnungen werden aufwändig saniert und dann in Eigentumswohnungen umgewandelt, wie an verschiedenen Stellen zu beobachten. Mittlerweile auch auf der Roten Insel.

Berlinweit noch eher die Ausnahme, werden in Schöneberg Häuser aus den 60er Jahren abgerissen. Ursprünglich mit staatlichen Fördermitteln (= Steuergeldern) errichtet, genügen sie heutigen Verwertungsinteressen nicht mehr. Am Barbarossaplatz konzentriert sich dieser Trend gerade. Wir berichteten schön öfter von der Auseinandersetzung um die Barbarossastraße 59. Jetzt stehen dort schon 2-3 Jahre lang über 100 dringend gesuchte kleine Wohnungen leer. Vorbereitend wurde leergezogen, bis der Bezirk im August 2011 mit der damaligen BVV-Mehrheit (SPD und CDU) einen neuen Bebauungsplan für den Investor HOCHTIEF beschloss. Dadurch wurde dem Konzern eine hochverdichtete Bebauung mit Luxuswohnungen am Park erlaubt, mit entsprechenden Gewinnaussichten. Jetzt lauert HOCHTIEF darauf, abreißen zu können, und hat schon mal mit den Bäumen im Garten angefangen. Doch erstinstanzlich konnte HOCHTIEF den Gerichten die Notwendigkeit von Verwertungskündigungen nicht nachweisen. Bereits in zwei Prozessen ist der Konzern mit Räumungsklagen gescheitert. Schräg gegenüber in der Schwäbischen Straße 7 a + b beginnt ebenfalls ein Investor, das Haus freizuziehen, angeblich um abzureißen und einen Neubau zu errichten. Etliche Wohnungen stehen auch dort schon leer, während andere Mieter sich gegen den Auszug wehren.

Der Tagespiegel bezieht sich auf eine Maklerin: „Und selbst die Potsdamer Straße verändere sich 'schlagartig' – und zwar zum Positiven.“ Das wird die 6-köpfige Familie anders sehen, die in der Parallelstraße (Steinmetzstraße) aus ihrer Wohnung raus muss. Das Sozialgericht hat am 16.4. entschieden, dass die Miete erheblich über dem bei ALG II zugestandenen Wohnkostensatz liegt und die Familie trotz der jahrlangen Ortsbindung (u. a. Schulbesuch der Kinder) raus muss. Aber für 755 € warm wird eine angemessene Wohnung selbst am Stadtrand schwer zu finden sein. Schnelle Mietkostensteigerungen (hier zusätzlich wegen ausgelaufener Sozialwohnungsförderung) und zu geringe Sätze für die „Kosten der Unterkunft“ bedrohen rund 10.000 Hartz-IV-Haushalte allein in Tempelhof-Schöneberg mit Umzugsaufforderung. Statt Arbeitssuche steht dann verzweifelte Wohnungssuche an.

Es zeigt sich bundesweit: Mietgesetze, Mietspiegel, Regelungen zu Umlage von Modernisierungskosten und bei Umwandlung von Mietwohnungen schützen Mieterinnen und Mieter immer unzureichender gegen einen aggressiven Markt. Wer finanziell nicht mehr mithalten kann, soll weichen. In Berlin konzentrieren sich besonders zwei Trends und treiben sich gegenseitig hoch: Einerseits gibt es international viel freies Kapital, das meint, in Immobilien flüchten zu müssen. Damit treibt es die Preise für den Erwerb hoch. Überhöhte Kaufpreise sollen dann durch entsprechend höhere Mieten oder durch Verkauf als Eigentumswohnung „refinanziert“ werden. Der SPD-CDU-Senat hätte einschränkende Mittel, wenn er endlich einen „angespannten Wohnungsmarkt“ feststellte.

Am 23.5. wird auf dem Schöneberger Gasometer-Gelände ein Tag der Immobilienwirtschaft veranstaltet. Getragen von dem „Zentralen Immobilien Ausschuss e.V.“, zu deren Mitgliedsfirmen u. a. HOCHTIEF gehört. Mit den Bundesministern Ramsauer (CSU, u. a. zuständig für Soziale Stadtentwicklung) und Rösler (FDP, Wirtschaft) sind auch politisch Verantwortliche vor Ort. Da sollte vielleicht Mieterprotest auch nicht fehlen?

Harald Gindra

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