Die westliche Irrfahrt der asymmetrischen Wohlstandssicherung und die finale Systemkrise mit steigender Kriegsgefahr: Beispiel Syrien

Der russische Ausenminister Lawrow deutete kurzlich an, dass nach dem Arabischen Fruhling nun die turkischen Kriegsdrohungen gegen Syrien eventuell zu einem „nuklearen Winter“ fuhren konnten. Zugleich versicherte die Russische Foderation, dass eine Intervention auf syrischem Territorium einer Kriegserklarung gegen Russland gleichkomme. (...)

Die westliche Irrfahrt der asymmetrischen Wohlstandssicherung und die finale Systemkrise mit steigender Kriegsgefahr: Beispiel Syrien Der agonisierende Spatkapitalismus bedroht die menschliche Zivilisation Vor dem Hintergrund dieser Kapitalinteressen fuhrt der Strukturwandel des Weltmarkts - aufsteigende Schwellenlander, die das Zentrum des Kapitalismus nach China, Brasilien und Indien verschieben werden - mittelfristig zu weiteren Einfluss- und Interessenkonflikten. Ebenso wie Prof. Dr. Wallerstein von der Universitat Yale schlussfolgert allerdings auch der Historiker Tomasz Konicz, dass der Kapitalismus fur die ihm eigene Verwertungslogik im Marxschen Sinn zu produktiv geworden sei, sodass seine 500-jahrige Existenz in der gegenwartigen finalen Uberakkumulationskrise wohl sein Ende finden wird. Ob es noch Jahre oder Jahrzehnte bis zum Untergang des Kapitalismus als herrschende Produktionsweise dauert, hangt wiederum vom subjektiven Faktor, d.h. dem Bewusstsein der arbeitenden Klassen, ab, welche den allmahlichen Kollaps des gesamten Systems in einen sozialistisch-internationalistischen Ausweg kanalisieren konnen, um eine neofaschistische Stabilisierung der herrschenden Ausbeutungsverhaltnisse zu verhindern.

Im gunstigsten Fall ware es somit eine von unten erwirkte „radikale Transformation“ (Nicos Poulantzas) der herrschenden Produktionsweise, im ungunstigsten Fall ware es erneut ein Kollaps der demokratischen Rechtsstaatlichkeit wie in den 1930er / 40er Jahren, als der Faschismus die materielle Macht der Bourgeoisie vor der „oten Gefahr“ bewahrte, indem er vereinfacht ausgedruckt den Kapitalismus autoritativ stabilisierte.

Die „eschleunigte Krise“ ist ein „harakteristikum der kapitalistischen Stabilisierung“ (Nikolai Iwanowitsch Bucharin), welche im Rahmen der Krise in den nachsten Jahren zur Intensivierung des Klassenkampfes und / oder zu imperialistischem Krieg fuhren muss. Syrien ist das Pulverfass, an dem ein neuer planetarer Konflikt entbrennen konnte Die transatlantischen Verbundeten USA und EU versuchen im Nahen Osten zu wiederholen, was sie in Pakistan, Indonesien und den Philippinen umsetzten; was in Libyen durch massive Intervention vollbracht ist und unter anderen Bedingungen auch als Schlusspunkt der zunachst erfolgreichen demokrati-schen Revolutionen in Agypten und Tunesien gelang, konnte demnachst auch Syrien aufgezwungen werden: Das Installieren einer neoliberal- islamischen Regierung durch militarische sowie zivilgesellschaftlich-stiftungspolitische Einflussarbeit und Medienkampagnen.

Syrien steht in permanentem Konflikt zu seinem sudlichen Anrainer, seitdem im Sechstagekrieg Israel die Golanhohen besetzte; 1981 annektierte Israel das Gebiet - der Status der Golanhohen ist ein Hindernis fur die Friedensverhandlungen zwischen den beiden Staaten (1923 waren in einem Abkommen zwischen England und Frankreich die Golanhohen vom britischen Mandats-gebiet Palastina abgetrennt und dem franzosischen Mandatsgebiet Syrien und Libanon angeschlossen worden, sodass sie spater Teil des Territoriums des unabhangigen Syrien wurden).

Auch die Turkei und Syrien haben einen historischen Konflikt: die sudlichste turkische Provinz, Hatay, mit der Hauptstadt Antakya ist ein separatistisches Resultat antisyrisch ausgerichteter turkisch- franzosischer Diplomatie. Mit dem Ablaufen des franzosischen Volkerbund-Mandates uber Syrien verstarkte die Turkei ab 1936 ihre Forderungen nach einem Anschluss dieses Gebietes.

Frankreich kam den turkischen Forderungen nach einer Loslosung vom syrischen Mandat entgegen, um die Turkei von einem Kriegseintritt auf Seiten Deutschlands abzuhalten. Am 2. September 1938 wurde der unabhangige, aber kurzlebige Staat Hatay ausgerufen. Die Vereinigung mit der Turkischen Republik wurde vom Parlament der Republik Hatay am 29. Juni 1939 entschieden. Frankreich , die damalige Mandatsmacht von Syrien und Libanon, hatte bereits am 23. Juni 1939 den Anschluss in einem Vertrag mit der Turkei vereinbart. Seither bildet Hatay eine Provinz der Turkischen Republik. Hatay ist bis heute ein Streitpunkt zwischen der Turkei und Syrien.

Daher hatten gleichberechtigte Krafteverhaltnisse zwischen beiden Regierungen Ankara langfristig bezuglich eventueller syrischer Sezessions- oder Teilungsforderungen verunsichern konnen. Auch die NATO-Kooperation sowie die Kontrolle uber das groste noch weitgehend unerschlossene Erdgasfeld der Welt, dessen Zentrum in Syrien liegt, durfte einen Aspekt turkischer Interessen-politik gegenuber Damaskus darstellen.

Tobias Baumann

(Stark verkurzt)