Sittenwidriges Programm "BerlinArbeit" - Jobcenter zahlen 5,63 €URO die Stunde

Unter der Ägide der Arbeitssenatorin Dilek Kolat wird die Arbeitsförderung in Berlin umfassend verändert. Frau Kolat möchte nunmehr den Schwerpunkt dieser Förderung auf die „Integration der schwierigen Fälle in den ersten Arbeitsmarkt“ legen. Zu erreichen wäre dieses Ziel, laut Kolat, durch "Qualifizierung". Diese gravierenden "Neuerungen" kommen jedem, der sich mit Arbeitsmarktpolitik auskennt seltsam bekannt vor.

 

Im Programm „BerlinArbeit“ sollen nun 5.600 Erwerbslose bei einem Stundenlohn von 7.50 €URO gezwungen werden, 30 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Die so genannte "Qualifizierung" findet in 10 zusätzlich zu leistenden Wochenstunden statt, die "freiwillig" und unbezahlt verrichtet werden. Welcher Art diese "Qualifizierung" ist, bleibt unklar, da sie in den allgemeinen Arbeitsprozess integriert wird. Das heißt also: 30 bezahlte Wochenstunden für die Ableistung von derer 40, was umgerechnet einen Stundenlohn von 5,63 €URO ergibt. Die sattsam bekannten und jeder Realität entbehrenden Worthülsen "Integration in den ersten Arbeitsmarkt" und "Qualifizierung", und dies bei möglichst schlechter Bezahlung, feiern fröhliche Urständ.

Dabei stört es nicht, dass bereits der Stundenlohn ein Verstoß gegen das, vom Senat beschlossene Vergabegesetz darstellt. Das Gesetz schreibt einen Mindestlohn von 8,50 €URO vor.

 

Es stört auch nicht, dass für das Jahr 2011 eine monatliche Bruttovergütung von weniger als 1058 €URO (netto 815 €URO) für eine Vollzeitbeschäftigung in Berlin, vom Berliner Sozialgericht am 19. September 2011 als sittenwidrig ausgeurteilt wurde. Schon damals hatten die Job-Center, bar jedes Respekts vor ihren "Kundinnen" und "Kunden" skrupellos in AGHE- Jobs vermittelt, die, zu einem großen Teil ein Monatseinkommen von lediglich 900 €URO brutto vorsahen.

 

Das es sich bei der "BerlinArbeit" nicht um eine 30-Stunden-Beschäftigung handelt, sondern um eine Vollzeitbeschäftigung, wird sich zeigen, wenn die "Freiwilligkeit" der zusätzlich zu leistenden, unbezahlten wöchentlichen 10 Qualifizierungsstunden, wie üblich grundgesetzwidrig mit der Androhung von Sanktionen (sprich: Nötigung durch Existenzbedrohung) den Betroffenen aberpreßt werden wird.

 

Das grundgesetzwidrige Hartz- IV-System wird mit dieser Mogelpackung aus dem Hause Kolat weiter zementiert.

 

Der flächendeckende Mindestlohn, den die SPD, bezeichnenderweise erst seit ihrem Machtverlust 2005 fordert, gilt nicht für Erwerbslose.

 

Der Niedriglohnsektor, der die Menschen weiterhin der Willkür der Job-Center ausliefert, wird ausgebaut.

 

Die Parallelwelt eingeschränkter Grundrechte von Hartz- IV Betroffenen prägt weiter das arbeitsmarktpolitische Bild der Stadt.

 

Wer bestehende Sittenwidrigkeit durch windige 30-Stunden-Verträge mit zusätzlichen "freiwilligen" Zeiten verschleiert, wer den Verstoß gegen das Vergabegesetz damit rechtfertigt, dass dieses von Beschäftigungsträgern umgesetzte arbeitsmarktpolitische Instrument "BerlinArbeit" eben nicht unter das Vergabegesetz falle (wieso eigentlich nicht?), der will nicht in den ersten Arbeitsmarkt integrieren, der will die Gesellschaft weiter spalten, aufteilen in freie Bürgerinnen und Bürger und unfreie, von der Willkür der Job-Center abhängige Lohnsklaven.

 

Als Fazit bleibt zu sagen: Aufgeschlossen für alles Alte hat mit SPD und CDU auch auf dem arbeitsmarktpolitischen Sektor zusammengefunden was zusammengehört. Die LINKE LAG Hartz IV Berlin wird weiterhin dafür kämpfen, dass dieser Senat zu den Werten des Grundgesetzes zurückkehrt, sich auch bei Hartz- IV Betroffenen an den vereinbarten Mindestlohn hält und endlich damit aufhört, die Erwerbslosen zu demütigen und als Menschen zweiter Klasse zu behandeln.

Thomas Suckow

Mitglied des SprecherInnenrates der LAG Hartz IV Berlin