Tempelhofer Feld – Kein Ort der Freiheit

Die Lupe

Das Tempelhofer Feld ist für einen Großteil der Berliner Bevölkerung mit der Luftbrücke verbunden und als „Tor zur Freiheit“ im kollektiven Bewusstsein verankert. Die von der Entwicklungsgesellschaft Tempelhof Projekt GmbH nach Schließung des ehemaligen Flughafens ersonnene klangvolle Bezeichnung „Tempelhofer Freiheit“ wird dieses Bewusstsein sicher weiter stärken und unterstützen. Es ist ja auch etwas Besonderes, innerhalb einer Großstadt über eine derart riesige Freifläche zu verfügen, auf der man sich frei bewegen und einen unverstellten Panoramablick auf Himmel und Horizont wie sonst nur in freier Natur erhalten kann.

Doch es gilt auch: „Misstraue der Idylle, denn sie ist ein Mörderstück. Schlägst du dich auf ihre Seite, schlägt sie dich zurück“, wie der Künstler André Heller formuliert hat. Dieses trifft gerade auch auf das Tempelhofer Feld zu, das in seiner Geschichte nicht nur lichte, sondern ausgesprochen dunkle Seiten hat, die in höchstem Maße für Gigantomanie, Unfreiheit, Erniedrigung, Ausbeutung, Mord und Krieg stehen.

Auf dem Gelände befand sich von 1933 bis 1936 das KZ Columbia-Haus. Das von den Nazis errichtete Flughafengebäude diente in den 1940er Jahren als Luftrüstungsproduktionsstätte. In ihr wurden Tausende von aus diversen Ländern verschleppten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern mit der Montage von Flugzeugen und sonstigen Luftrüstungsgütern beschäftigt, ausgebeutet und zu Tode geschunden. Diese Menschen waren unter menschenunwürdigen Bedingungen in ausgedehnten Barackenlagern auf dem Tempelhofer Feld untergebracht.

Diese Tatsachen sind im kollektiven Gedächtnis der Berliner Bevölkerung bislang leider in nur geringem Maße verankert, obwohl doch die Geschichte des KZ Columbia-Haus bereits in den 1980er Jahren erforscht und 1994 am Columbiadamm ein Mahnmal für die Opfer des KZ Columbia-Haus errichtet wurde.

Bei der Aufnahme des Flughafengebäudes in die Liste der „Historischen Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst“ am 1. Juni 2011 durch die Bundesingenieurkammer aber standen etwa „seine Bedeutung als Ingenieurbau“ und die „besonders gelungene und beispielgebende Verknüpfung von Funktionalität und moderner Architektur sowie seine städtebauliche Einbindung“ im Mittelpunkt der Begründung – von Rüstung, Krieg und Zwangsarbeit als damals wesentliche Funktionalität kein Wort.

Der 2010 gegründete Förderverein zum Gedenken an Nazi-Verbrechen um und auf dem Tempelhofer Flugfeld e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, an die dunklen Seiten in der Geschichte des Tempelhofer Feldes zu erinnern. Ziel ist die Errichtung einer Gedenk- und Informationsstätte für die Häftlinge des KZ Columbia-Haus und die Rüstungs-Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf dem Gelände und im Gebäude des Flughafens. Die Berliner Geschichtswerkstatt e.V., die das beschriebene Anliegen des Fördervereins uneingeschränkt unterstützt, hat jetzt ein Buch herausgegeben, das die Beiträge einer Veranstaltungsreihe des Fördervereins zum Thema aus dem Jahr 2011 zusammenfasst.

Darin wird ein Überblick über die Nutzung des Tempelhofer Feldes in der Zeit des deutschen Nationalsozialismus (1933-1945) gegeben. In den einzelnen Kapitelbeiträgen gehen die Autoren auf das Konzentrationslager Columbia-Haus, auf die NS-Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion in Berlin, insbesondere auf die Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit bei der „Weser“ Flugzeugbau GmbH auf dem Flughafen Tempelhof, den industriell-militärisch-wissenschaftlichen Komplex im Nationalsozialismus am Beispiel der Luftfahrtforschung sowie auf Täterorte in Gedenkpolitik und Erinnerungskultur am Beispiel des Tempelhofer Feldes ein.

Das von der Berliner Geschichtswerkstatt e. V. herausgegebene Buch „Kein Ort der Freiheit – Das Tempelhofer Feld 1933-1945, Konzentrationslager – Luftwaffenstützpunkt – Rüstungszentrum, Beiträge zur gedenkpolitischen Debatte über den Flughafen Tempelhof“ (ISBN-Nr. 978-3-925702-20-4) kostet 6,- Euro und ist bei der Berliner Geschichtswerkstatt e.V., Goltzstraße 49, 10781 Berlin erhältlich.

Andreas Bräutigam