50 Jahre (verfehlte) Stadterneuerung

„Stadt im Umbruch gestern, heute und morgen“ war das Thema der Veranstaltung, die DIE LINKE am 29. April im Abgeordnetenhaus anbot. Anlässlich des Jahrestages von 50 Jahren Stadterneuerung (1. Westberliner Stadterneuerungsprogramm) trafen sich viele Interessierte und Experten aus Politik, Verbänden und Initiativen, um neben einem Rückblick auch über Perspektiven der Stadterneuerung zu diskutieren. Zu Wort kam u.a. Prof. Bodenschatz (ehem. Leiter im Fachbereich Architektursoziologie) von der TU Berlin, der der bisherigen Stadtplanung, dem Versuch einer Stadterneuerung bis 2030, keine guten Noten gab. Berlins Stadtplanung nannte er eine Unkultur; die verantwortlichen PolitikerInnen seien auf Halsstarre eingestellt gewesen. Mit dem damaligen Beschluss zur Flächensanierung von Gründerzeitquartieren wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der bis in die heutige Zeit die Stadtentwicklung prägt. Dank des Geldes aus Bonn wurde in den 60er Jahren ein Kahlschlag praktiziert. Erst eine starke Hausbesetzerbewegung konnte die unsägliche Vernichtung von Wohnraum stoppen. Ganze Straßenzüge kamen unter den Hammer, gewachsene soziale Vielfalt wurde zerstört. Der Abriss von Häusern stand im Vordergrund und hinterließ verödete Innenstadtbezirke. Ziel war ein Gegenbild zu den sogenannten Mietskasernen zu schaffen. Zwar gab es damals von Seiten der Bevölkerung den Wunsch nach mehr Komfort in den Wohnungen, dies hätte jedoch auch am Bestand geschehen können. Die entstandenen Neubauwohnungen waren dann in der Regel eher funktional ausgestattet und die Miete drei Mal teurer als zuvor. Nach dem Fall der Mauer setzte sich das Stadterneuerungsprogramm auch im Ostteil Berlins fort. Jetzt nicht mehr gezielt mit Abriss, sondern mit Luxus-Modernisierung. Die Konsequenz war, dass sich beispielsweise im Stadtteil Prenzlauer Berg die Bevölkerung bis zu 90% austauschte. Gab es bis 2006 noch eine Mietobergrenze in Sanierungsgebieten, ist es nun für die von Sanierung betroffenen Mieter noch schwieriger, die anschließend höhere Miete zu zahlen. Die Mietobergrenze, eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, die private und städtische Wohnungsbauunternehmen in die Pflicht nahm, war ein wichtiges Steuerungsinstrument gegen explodierende Mieten. Heute müssen andere Instrumente (wie beispielsweise Erhaltungssatzung, Schutz vor Zweckentfremdung oder Milieuschutz) greifen, um Wohnraum zu erhalten und vor Luxussanierung zu schützen. Auch heute führt wenig behutsames Vorgehen, im Hinblick auf Bewohnerstruktur, eigentlichen Bedarf und Kosten, bei der Stadterneuerung vor allem zur sozialräumlichen Spaltung der Quartiere. Besonders Mieter in den Innenstadtbezirken haben große Sorge, wenn sie das Wort Sanierung hören, denn dies bedeutet vor allem eine starke Mieterhöhung oder Verdrängung. Dabei spielt die Qualität keine Rolle mehr: Eine Vertreterin der ASUM (Angewandte Sozialforschung und urbanes Management) sprach von billiger und schlechter Modernisierung. Ab 1994 und dann wieder ab 2000 kam es gehäuft zu  Privatisierungen von Wohnraum; so gibt es nur noch begrenzt kommunales Eigentum, aber auch der Verkauf von Wohnungen wurde salonfähig, sowie bei Neubauvorhaben die generelle Einplanung von Eigentumswohnungen. Je mehr dem Markt die Wohnungspolitik überlassen wird, desto geringer ist die Chance, eine günstige und angemessene Wohnung zu bekommen.

 

Elisabeth Wissel