Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zum Menschen- und Organhandel im Sinai

Presseerklarung von Annette Groth,  MdB,  DIE   LINKE im Bundestag, Menschenrechtspolitische Sprecherin

Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zum Menschen- und Organhandel im Sinai (Drucksachen-Nummer 17/11134) erklärt Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE:

Seit Ende 2010 wiesen Medienberichte wiederholt auf die prekäre Situation von afrikanischen Flüchtlingen auf der Sinai-Halbinsel hin. Laut Menschenrechtsorganisationen wie „Physicians for Human Rights-Israel“, die „New Generation Foundation for Human Rights“ und „The UN Refugee Agency“ sind sie betroffen von Entführungen, Lösegelderpressungen, Folter, Vergewaltigungen und der illegalen Entnahme von Organen. Die Weltgesundheitsorganisation hat Ägypten sogar als regionalen Knotenpunkt für Organhandel bezeichnet.

Die betroffenen Flüchtlinge – zumeist aus Eritrea, Sudan oder Äthiopien – werden entweder nachdem sie auf irregulärem Weg die Grenze zum Sinai passieren oder direkt aus Flüchtlingslagern in ihren Herkunftsländern entführt und in den Sinai gebracht. Hier werden sie gefoltert, während ihre Verwandten am Telefon den Schreien zuhören müssen. So soll Lösegeld zwischen 5.000 und 40.000 Dollar erpresst werden. Wird der Forderung nicht entsprochen, werden die Flüchtlinge teilweise an Banden in den Nordsinai verkauft. Dort sollen sie unter sklavenähnlichen Bedingungen leben, zum Teil getötet und ihre Organe entnommen werden. Die Organentnahme wird höchstwahrscheinlich durch ägyptische Ärzte vollzogen, der Preis für ein Organ liegt laut einem CNN-Bericht bei 20.000 Dollar. Die ägyptische Regierung hat bisher keine Versuche unternommen, diese Verbrechen zu unterbinden.

Die Bundesregierung antwortete auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, sie beobachte die „Entwicklung des Menschen- und Organhandels auf dem Sinai seit geraumer Zeit mit Sorge“. Zwischen 2010 und 2011 habe ein Beduinenstamm im Nordsinai Migranten aus dem Bereich Subsahara entführt und ihnen Organe zum Weiterverkauf an ägyptische Krankenhäuser entnommen. 200 bis 250 Personen seien Opfer dieser Praxis geworden. Andere Beduinenstämme hätten die Täter vertrieben, eine weitere Gruppe von Beduinen habe den Organhandel aber übernommen. Die Deutsche Botschaft in Kairo habe das Thema kurz nach Auftreten der ersten Gerüchte „beim ägyptischen Ministerium für Gesundheit und Bevölkerung anhängig gemacht und die ägyptischen Behörden zu einer aktiven Bekämpfung des Menschen- und Organhandels aufgefordert.“ Eine konkrete Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und den ägyptischen oder israelischen Behörden bestehe jedoch nicht, eine solche Bitte sei auch bisher nicht an die Bundesregierung herangetragen worden.

Darüber hinaus unterstütze die Bundesregierung die EU in ihren Bemühungen, die ägyptischen Behörden zum Eingreifen zu veranlassen und „die Menschenrechte von Migranten und Flüchtlingen in vollem Umfang zu gewährleisten.“ Das Europäische Parlament hat am 13. März 2012 einen Entschließungsantrag formuliert, der die ägyptischen Behörden auffordert, den Menschenhandel im Sinai zu bekämpfen und diese Sache vorrangig zu behandeln.

Auf die Frage, ob die Bundesregierung den Verkauf von Organen nach Deutschland oder in andere Staaten der EU ausschließen könne, lautet die Antwort: „Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, die eine solche Annahme nahelegen würden.“

Annette Groth betont: Mit der Annahme der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 hat sich Ägypten verpflichtet, Menschen, die aus politischen Gründen aus ihrer Heimat geflohen sind, zu schützen. Stattdessen schieben ägyptische Behörden diese Flüchtlinge in ihre Heimatländer ab, wo sie jahrelang inhaftiert oder gar getötet werden. Ich fordere die ägyptische Regierung auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen und den Menschen- und Organhandel im Sinai entschieden zu bekämpfen.

Weiter erklärt Annette Groth: Ich begrüße, dass die Bundesregierung sich mit dem Menschen- und Organhandel im Sinai auseinandersetzt. Jetzt müssen den Worten aber Taten folgen. Sowohl die Bundesregierung als auch die EU müssen sich mit Nachdruck für ein Ende des Menschen- und Organhandels auf der Sinai-Halbinsel einsetzen und ihre ägyptischen Counterparts ultimativ auffordern, Leben und Menschenrechte der Flüchtlinge zu schützen. Die EU hat durch ihre Assoziierungsabkommen mit Ägypten ein probates Druckmittel in der Hand: Artikel 2 der Assoziierungsabkommen, welche die EU mit den Mittelmeeranrainerstaaten geschlossen hat, fordert alle Partner zur Einhaltung der Menschenrechte und demokratischer Prinzipien auf. Sollte Ägypten seinen internationalen Verpflichtungen weiterhin nicht nachkommen, muss auch eine Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU in Betracht gezogen werden. Darüber hinaus erwarten wir von der Bundesregierung Aufklärung, ob illegal entnommene Organe aus dem Sinai nach Deutschland oder in andere Länder der Europäischen Union gelangt sind bzw. ob indirekte Verbindungen in die EU (z.B. Verbindungsmänner oder Geldtransfers) bestehen..-

Wiebke Diehl

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