Aus aktuellem Anlass- eine Filmempfehlung eines nun fast 40 Jahre alten Films.

Christophe Immer

Des terroristes a la retraite - Terroristen im Ruhestand, F 1985
1983 wurde „Des terroristes a la retraite“ auf dem Festival in Cannes erstmalig gezeigt, und stieß, mit Ausnahme der L’Humanité, der Zeitung der PCF, auf breites Desinteresse. Erst 85 fand sich ein Verleih.
Dennoch, für einen handfesten Skandal, und eine andauernde Debatte reichte es.
Die PCF, die kommunistische Partei Frankreichs, hatte für den bewaffneten Kampf gegen den Faschismus die Partisanenorganisation FTP (Francstireur et partisans) organisiert, und für migrantische GenossInnen die Gewerkschaft MOI (Main d’oeuvre immigrée) ins Leben gerufen. Im April 1942 entstand daraus eine migrantisch geprägte Widerstandsgruppe – die FTPS
MOI.
Als Ausländer, häufig Juden, hatten die KämpferInnen wenig zu verlieren. Diese Verzweiflung, und die Vertrautheit mit klandestinen Aktionen und dem Leben im Untergrund waren es, die die FTP-MOI bald zu einer der effektivsten Widerstandsgruppen des bewaffneten Kampfes im besetzten Frankreich werden ließen- das Ableben etlicher Deutscher, darunter des für Zwangsarbeit und Deportationen verantwortlichen Standartenführers Julius Ritter verdanken wir dieser Gruppe.

Missak Manouchian, am 1.09.1906 in Armenien geboren, überlebte den Genozid 1915-1916, und migrierte über den Libanon nach Frankreich. Der Poet- und Kommunist- führte die armenische Abteilung der MOI, schließlich die Pariser Sektion der FTP-MOI.

Im Film geben zeitgenössische Aufnahmen Kontext, aber langsame, ruhige Gespräche mit älteren Herren prägen diesen Film. Genossen, denen man die langen Jahre der entbehrlichen Arbeit ansieht, die eigentlich im Rentenalter waren, doch viele der Gespräche wurden in ihren Werkstätten gefilmt, nebenbei arbeitend, immer noch arbeitend, als Schneider oder Kürschner zumeist, Armenier, polnische Juden, arm, und am Rande der französischen Gesellschaft, wie auch 40 Jahre zuvor. Erzählt wird von Attentaten, mit Schusswaffen, selbstgebauten Bomben, erfolgreich meist.

Boucault, der Regisseur, ließ zwei der verrenteten Terroristen sogar für den Film einen Anschlag nachstellen, einen Bombenanschlag auf ein bei Wehrmachtssoldaten beliebtes Restaurant. Wie unglamourös Widerstand war, wie improvisiert Planung, Bewaffnung und Taktik, und wie verzweifelt zwei Teenager sein mussten, um dies zu tun, mit einer selbstgebauten Bombe- die Szene ist sehenswert.

Und mitunter lustig, witzeln doch beide ältere Herren, dass sie früher den Job besser drauf gehabt hätten.

Im November 1943 wurde die Gruppe Manouchain der FTPSMOI in Paris enttarnt und verhaftet. In Schauprozessen vor dem deutschen Militärtribunal ab dem 17. Februar 1944 wurden alle zum Tode verurteilt, am 21. Februar wurden Missak Manouchian und 21 seiner Genossen erschossen. Die Groupe Manouchian wurde in der ganzen Region Paris diffamierend plakatiert, bekannt als L’affiche rouge, das rote Plakat.

Des terroristes a la retraite schaffte es, jüdischen und migrantischen Widerstand gegen den Faschismus in Frankreich zum Thema zu machen. Kontrovers jedoch die Darstellung der PCF - der Film vertritt die These, die migrantische FTP-MOI sei von der Partei hängengelassen worden, was heftigen Widerspruch ergab.

Aus aktuellem Anlass sei dieser etwas ältere Dokumentarfilm empfohlen:
Missak Manouchian wurde am 21. Februar 2024 ins Panthéon aufgenommen. Einem migrantischem, kommunistischen Widerstandskämpfer wird somit die höchste Ehrung Frankreichs zuteil, die Aufnahme in das Mausoleum Voltaires, Emile Zolas, Jean Jaurès und Jean Moulins. Eine Anerkennung des kommunistischen, des jüdischen, des migrantischen antifaschistischen Widerstands. 
Christophe Immer