Ausbildungsbereitschaft im Bezirk lässt zu wünschen übrig

Junge Menschen brauchen eine Zukunft, die sie erst dann haben, wenn ihnen die Gesellschaft die Chance gibt, sich auszubilden und zu qualifizieren. Zukunft bedeutet, einen Beruf auszuüben, von dem man angemessen leben kann. Dass die Ausbildungsbereitschaft in Deutschland in den letzten 10-20 Jahren stetig abgenommen hat, ist nicht nur krisenbedingt, es ist die gesamte neoliberale Politik, bei der verantwortungsvolle Vorsorge und Nachhaltigkeit zweitrangig bleiben. Aber auch die ressortverantwortliche SPD in der Landesregierung hat trotz Versprechen keine Abkehr der Ausbildungsnot bewirken können. Am Beispiel Tempelhof-Schöneberg wird der Abwärtstrend über die Beantwortung einer Kleinen Anfrage (Nr. 150) deutlich. Haben im Jahr 2010 noch 377 Handwerks-Betriebe ausgebildet, so sind es 2012 nur noch 356 und 55 Auszubildende weniger (insgesamt 1251). Davon besitzen 6,8% eine ausländische Staatsbürgerschaft (was über einen tatsächlichen Migrationsanteil nichts aussagt). Voraussetzung für Ausbildungsbetriebe sind u.a. Handwerke mit Meisterpflicht, deren Gerätschaften dem aktuellen Stand entsprechen müssen. Zwar bekommt die Handwerkskammer Senatszuschüsse zur Förderung der Berufsausbildung, was aber bisher zu keinem nennenswerten Erfolg führte.

Die Industrie-und Handelskammer (IHK) gab zur beruflichen bezirklichen Ausbildung folgende Zahlen bekannt: 2011 gab es 650 aktive Ausbildungsbetriebe und 2013 nur noch 639. Die Anzahl der Auszubildenden lag 2011 bei 3508 und 2013 bei 3363. Diese stetig rückläufige Ausbildungsbereitschaft der Betriebe wird in den Medien häufig damit begründet, dass die LehrstellenbewerberInnen nur ungenügende schulische Leistungen vorweisen könnten. Der eigentliche Grund dürfte sich jedoch in der einseitigen schnellen Gewinnorientierung der Betriebe finden. Die Anzahl der eingetragenen Ausbildungsbetriebe der IHK verdeutlicht, dass hier noch wesentliche Ausbildungspotentiale frei sind: 2011 gab es 2488 und 2013 über 2735 Betriebe, die ausbilden könnten; nur ein Bruchteil davon setzt dies um. Im Ausbildungsbereich medizinischer Fachangestellter bilden in unserem Bezirk 103 Ausbildungsstätten derzeit 147 medizinische Fachangestellte aus. Aufgrund von Fördermaßnahmen sind allein 30 davon Umschulverhältnisse. Für die Ausbildung pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte liegen die Zahlen von 2011 und 2012 bei etwa 50 Auszubildenden. Für Juli 2013 gibt das Jobcenter 1836 (davon 1448 im SGB II Bereich) Arbeitssuchende im Alter von 15-25 Jahren an. 74 Jugendliche konnten im außerbetrieblichen Bereich eine Ausbildung, auch in Teilzeit, ablegen, was aber ein sehr geringer Anteil ist. Um die Chance auf einen Ausbildungsplatz nach der Schule zu steigern, gibt es auch ein vom Bezirk mit 100.000 Euro gefördertes Ringpraktikum.

In Kooperation mit bestimmten Schulen wird Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit eines dreiwöchigen berufsorientierten Betriebspraktikums angeboten. Ein anderes gefördertes Projekt ist SKM (Schule kann mehr), das mit jährlich 14.200 Euro einen Beitrag zur Nachwuchssicherung leisten soll. Dabei sollen die Unternehmensnetzwerke eine wesentliche Rolle übernehmen. Beratend und unterstützend ist der Bezirk mit einem Jahresbudget von 270.705 Euro beteiligt. Einen wesentlichen Teil erhalten davon sogenannte Träger, wie beispielsweise das Nachbarschaftsheim Schöneberg. All diese Unterstützungen sind sinnvoll, dennoch dürfen sich gerade Betriebe nicht aus der Verantwortung entziehen. Die Zahl der Auszubildenden nimmt ab, aber an der Anzahl von Projekten für Beratung und Berufsorientierung mangelt es offenbar nicht. Dies ist ein nicht hinnehmbarer Missstand.

Elisabeth Wissel