AV Wohnen

Umzugszwang wird zur zunehmenden Bedrohung für ALG-II-Empfänger

Menschen, die von Hartz IV betroffen sind - und dazu zählen auch die sogenannten Aufstocker -, müssen immer häufiger befürchten, ihre Wohnung und damit ihr soziales Wohnumfeld verlassen zu müssen. Aufgrund der Ausführungsvorschrift Wohnen (AV-Wohnen), einer Verwaltungsvorschrift, die die Bundesländer dazu berechtigt, die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) den jeweiligen sozioökonomischen Bedingungen entsprechend danach festzulegen, „in welcher Höhe ... sie in ihrem Gebiet angemessen sind“. In fast jedem ALGII-Haushalt liegen die Warmmieten über den Richtwerten der AV-Wohnen. Im Jahr 2011 gab es in Berlin ca. 100.000 Bedarfsgemeinschaften mit Wohnkosten, die oberhalb dieser Grenzen lagen. Über eine Kleine Anfrage unserer Fraktion im Abgeordnetenhaus wurde bekannt, dass in 2010 in unserem Bezirk 10.479 und in 2011 8.440 Betroffene aufgefordert wurden, ihre Mietkosten zu senken. Nach diesem amtlich verordneten Druck wechselten 130 in 2010 und 59 Personen in 2011 ihre Wohnung, häufig in andere Bezirke und Stadtrandgebiete. Obwohl das Berliner Sozialgericht die Meinung vertritt, „ dass ... die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat“, wird die Anwendung dieser Vorschrift rücksichtslos durchgeführt. Das JobCenter (JC) Tempelhof-Schöneberg steht damit an der Spitze dieser unsäglichen Praxis. Auch eine große Anzahl von Klagen schreckt das JC nicht von seinem Tun zurück, es „erfülle ja nur seine Pflicht“, meint die JC-Leiterin. Selbst bei einer Mietüberschreitung von 20 Euro gibt es keine Toleranz. Häufig betrifft es die Betriebskosten, die in den letzten Jahren unverhältnismäßig angestiegen waren; dennoch werden diese vom JC nicht angemahnt. Die Verlierer sind immer die Hartz-IV-Betroffenen. Zwar gibt es Härtefallregelungen, diese sind aber die Ausnahme. DIE LINKE hatte während ihrer Regierungszeit die vom Bund vorgegebene Aufforderungsfrist zum Umzug auf ein Jahr ausgedehnt, um betroffenen Menschen zunächst einmal Zeit zu geben, eine Arbeitsstelle zu finden. Diese Handhabung wurde von der Bundesregierung jedoch schnell wieder abgestellt, denn die Etats für Soziales sind knapp bemessen. Das Problem ist vor allem auch, dass es innerstädtisch kaum kleine bezahlbare Wohnungen gibt und der rot-schwarze Senat immer noch keinen angespannten innerstädtischen Wohnungsmarkt anerkennt. Der Bedarf an kleinen Wohnungen ist dagegen groß. Innerhalb von 10 Jahren ist die Zahl der kleinen Haushalt (ein bis zwei Personen) stark angewachsen. Besonders in den Ostberliner Sanierungsgebieten ist eine Konzentration ärmerer Haushalte zu beobachten. Ein Zwei-Klassen-Wohnen ist damit vorprogrammiert. Die Forderungen der Partei DIE LINKE sind u. a.:

  • keine Zwangsräumungen von Hartz-IV-Bezieherinnen und Beziehern,
  • Anhebung der Richtwerte für AV-Wohnen, gemäß dem Mietspiegel, aber mit einer stärkeren Berücksichtigung bei Neuvermietungen,
  • Verbot von Ferienwohnungen,
  • Wohnungsneubau im preisgünstigen Segment,
  • Kampf gegen Mietenexplosion und
  • Stärkung der Mietrechte über eine Bundesratsinitiative.

Vom Senat wurde für dieses Jahr eine neue Rechtsverordnung zur Bestimmung der Angemessenheit der KdU angekündigt. Die Erwartungen in eine hoffentlich verbesserte und großzügigere Handhabung sind entsprechend groß.

 

Elisabeth Wissel