Da lachten ja die Hühner, wenn sie etwas zu Lachen gehabt hätten...

Klaus-Jürgen Stolz

Es waren einmal ein paar politisch sehr engagierte Männer, die hatten sich in die Köpfe gesetzt,

ihre lieben Mitmenschen mit dem Verkauf von wirklich frischen, dioxin- und PCBfreien

Landeiern aus tiergerechter Haltung zu beglücken.

 

Bis auf einen, hatten sie alle eine höhere Schule besucht, weshalb man sie mit Fug und Recht

als Intellektuelle bezeichnen konnte. Der Nichtakademiker unter ihnen allerdings, stammte

aus einer alt eingesessenen Bauernfamilie und war eigentlich nur zufällig in den Kreis

dieser erlauchten Gesellschaft geraten.

 

Es wurde also zunächst ein geeignetes Gelände zur Freilandhaltung von Hühnern erworben,

und dann berief man eine Mitgliederversammlung ein, auf der geklärt werden sollte,

wie es nun weiterginge.

 

Der erste Antrag kam von dem nichtakademischen Bauernsohn, der vorschlug, das Gelände,

auf dem die Hühner frei herumlaufen sollten, einzuzäunen, damit diese nicht entwichen

und Füchse und andere Raubtiere von ihnen ferngehalten würden.

Dieser Vorschlag wurde von der überwältigenden Mehrheit der anderen Gesellschafter abgelehnt.

Von den Kosten mal abgesehen, hieß es, könne ja wohl von ökologischer Freilandhaltung

nicht mehr die Rede sein, wenn man die Hühner in ihrer Bewegungsfreiheit einschränke.

Außerdem sei es eine Diskriminierung der Füchse, von vornherein davon auszugehen, sie

würden sich an den Hühnern vergreifen. Die Untersuchung des Mageninhalts von Füchsen

hätte überdies eindeutig erwiesen, dass diese sich überwiegend von Mäusen ernährten.

Nach langen und zähen Diskussionen mit einigen unbelehrbaren Anhängern des Bauerntölpels,

der später wegen mangelnder Solidarität mit Tieren, und Quertreiberei aus dem Kollektiv

ausgeschlossen wurde, einigte man sich auf einen ca. 30cm hohen Maschendrahtzaun,

der das Gelände umschließen sollte, als Kompromisslösung.

 

 

Nachdem eine große Anzahl von Hühnern angeschafft war, die sich munter auf dem

für sie vorgesehenen Areal tummelten, traf sich das Kollektiv erneut zur Beratung, was

nun weiterhin geschehen solle. Hier meldete sich ein Mitglied zu Worte, es war wohl

Volkswirt, oder so, und verkündete, ihm sei zu Ohren gekommen, dass ein großer Teil

der potentiellen Eierkäufer der Meinung sei, braune Eier seien vitaminreicher und

nahrhafter, als weiße und ob man sich diese Anschauung nicht irgendwie zu Nutze machen

könne. Diese Idee wurde sofort von einem Biologen aus dem Kollektiv aufgegriffen, der

sich anbot, natürlich gegen entsprechende Aufwandsentschädigung, eine Methode zu

entwickeln, die Hühner nur noch braune Eier legen zu lassen.

Ein ebenfalls anwesender Politologe äußerte allerdings Bedenken bezüglich der Farbe

BRAUN. Einige verkündeten lauthals die Überzeugung, dass Hühner, die nur weiße

Eier zustande brächten, irgendwann mal benachteiligt würden. In die immer hitziger

werdende Debatte wurden dann noch Vorschläge eingebracht, wie:

 

 

 

Man möge doch alle Eier vor dem Verkauf gleichmäßig einfärben, oder, man müsse

auf jeder Packung Eier vermerken, wie viele braune und weiße Eier in ihr enthalten

seien, usw.usw. Diese Grundsatzdebatte zog sich mit kurzen Pausen, in denen die

eifrigen Diskutierer mal etwas essen, schlafen, oder aufs Klo mussten fast eine Woche

hin.

Leider kam man aber zu keinen verwertbaren Ergebnissen und beschloss, wegen allgemeiner Erschöpfung die Debatte abzubrechen, aber baldmöglichst fortzusetzen.

 

Irgendwann kam tatsächlich auch mal einer auf den Gedanken, das Gehege der Hühner

in Augenschein zu nehmen, und der Anblick, der sich da bot, war bedenklich.

Die Füchse, der einseitigen Mäusedieät überdrüssig, hatten sich einen Großteil der Hühner, als

diese noch einigermaßen fett waren, mit Freuden zu Gemüte geführt, einige Hühner

waren entflogen, und der Rest von ihnen war in Folge ausgebliebener Fütterung, schlicht

verhungert.

 

Erstaunt betrachteten unsere Hühnerfarmer die Früchte ihres Tuns. Doch dann klärten

sich ihre Züge, und sie begannen, sich gegenseitig zu umarmen und auf die Schultern zu klopfen.

„Hurra !“ jubelten sie, „Alle unsere Probleme sind gelöst !“ Untergehakt, und fröhlich singend marschierten sie im Gleichschritt hin zum Dorfkrug, um ihren überwältigenden Erfolg

zu feiern.

 

Und wenn sie nicht an Leberzirrhose gestorben sind, dann sitzen sie noch heute da,

um den letzen Rest ihres Verstandes zu versaufen.

Klaus-Jürgen Stolz