Hitzlsperger Coming-Out: Anspruch und Realität

Das Outing von Thomas Hitzelsberger zog große Wellen nach sich. Die meisten Reaktionen waren positiv. Es wurden ihm Mut und Respekt attestiert und ihm zu dem großen Schritt gratuliert. Denn gerade im Profifußball hat so ein Bekenntnis noch Vorbildfunktion und ist Ansporn für andere Homosexuelle im Profisport.

Dabei könnte leicht der Eindruck entstehen, mit Einführung der Homo-Ehe sei die Diskussion über die Stellung von Minderheiten in der Gesellschaft beendet – alles ist gut.

Traurige Realität ist aber leider, dass Homosexualität für viele immer noch als etwas nicht Normales gilt, was bekämpft und geheilt werden muss.

Dies zeigt sich zum Beispiel an der Diskussion um den Lehrplan in Baden-Württemberg, in dem nach Willen der dortigen Grün-Roten Regierung ab 2015 die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ bewusst als fächerübergreifendes Bildungsziel festgelegt werden soll. Ein Realschullehrer aus dem Schwarzwald brachte gegen diese Pläne eine Online-Petition mit fragwürdigem Inhalt ein. Die großen Kirchen - auch wenn sie die Online-Petition nicht unterstützen - wehren sich ebenso  gegen die ihrer Meinung nach darin enthaltene Überbewertung des Themas „Sexuelle Vielfalt“.

Dies zeigt sich auch bei der Diskussion um die Olympischen Winterspiele in Sotschi und die dortige Anti-Homosexuellen-Gesetzgebung der Putin Regierung. 

Immer noch gibt es eine Diskrepanz zwischen öffentlichen Statements zum Thema und konkretem Handeln. Kanzlerin Angela Merkel ließ über ihren Regierungssprecher verlauten, dass wir in einem Land leben würden, in dem niemand Angst haben sollte, seine Sexualität zu bekennen nur aus Angst vor Intoleranz. Aber gleichzeitig sträubt sich die CDU massiv gegen die tatsächliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe und wehrt sich auch gegen die Modifizierung des LSBTTI*[1] Personen immer noch benachteiligenden Adoptionsrechts.

Es geht bei diesen Forderungen nicht, wie es Jasper von Altenbockum in der FAZ kritisiert, um „blinde Anerkennung jedweden Interesses“, sondern um die Artikulation berechtigter Interessen. Es geht um das Herausbilden eines Bewusstseins in der Gesellschaft für diese Themen, um eine allgemeine Sensibilisierung und um Aufklärung. Das ist ein normaler demokratischer Prozess. Und ja, darüber sollte man tatsächlich nicht diskutieren müssen. Nicht hier und auch nicht in Sotschi.

Carolin Behrenwald


[1] Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle