Hommage an Rosa Luxemburg

Der Januar 1919 ist Höhepunkt einer turbulenten Zeit - die parlamentarische Monarchie endet 1918 und die deutsche Republik wird gegründet. Dr. Rosa Luxemburg ist damals der Kopf der neu gegründeten „Kommunistischen Partei Deutschlands“ und stellt sich gegen den vorherrschenden reformistischen Trend  der SPD und der USPD. Viele Demonstranten folgen ihrem Aufruf und es kommt zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Revolutionären und den von Ebert eingesetzten Militärkorps.

In der Nacht des 15. Januar 1919 werden Rosa Luxemburg und ihr enger Vertrauter Karl Liebknecht festgenommen und  der Garde-Kavallerie-Schützendivision unter dem Kommando von Waldemar Papst übergeben. Dieser inszeniert eine Gefängnisüberführung  vom Hotel Eden ausgehend und lässt beide – getrennt voneinander-  ermorden. Luxemburgs Leiche wird in den Landwehrkanal geworfen. Die Soldaten sagen, dass die „Rote Rosa“ nichts Besseres verdient hätte.

Am 12. Januar 2014 werden wir ihrer wieder gedenken. Doch stellt sich die Frage: Wer war Rosa Luxemburg und wie können wir uns am ehrlichsten an sie erinnern?

Seit jungen Jahren ist Luxemburg politisch aktiv gewesen. Damals noch in Warschau, wo sie im Alter von 22 bei der Gründung der sozialistischen Partei „Sozialdemokratie des Königreichs Polen“  half und wo sie 1897 die Doktorwürde in den Staatswissenschaften (heute Politikwissenschaften) erwarb. Und von Beginn ihrer Karriere an war sie eine Kritikerin.

Sie setzte sich kritisch mit Marx auseinander, dessen Theorien zu realitätsfern für sie waren, sie kritisierte die Folgen der Oktoberrevolution in Russland, die Freiheit nur für einen Teil der Bevölkerung bedeutete und sie kritisierte die reformistischen Strömungen der SPD in Deutschland, die ihr zu bürgerlich waren. Sie sah die Gefahr eines aufkommenden Krieges, durch das Treiben des deutschen Militarismus und Imperialismus schon Jahre zuvor voraus und begann zu kritisieren. Andererseits war sie bereit, der  Revolution im Zweifel auch mit Gewalt zum Sieg zu verhelfen. Sie war kein blutdurstiger Mensch, doch in diesem Fall hätte der Zweck die Mittel für sie geheiligt.

Rosa Luxemburg war eine überaus mutige Frau, die für den Traum einer klassenlosen Gesellschaft kämpfte und am Ende dafür sterben musste. Sie hatte keinen Sinn für Personenkulte und keine furchtvolle Achtung gegenüber Namen oder Institutionen. Ich denke, sie hätte gewollt, dass wir unsere eigene Bewunderung für sie kritisch hinterfragen.

Jenseits dieser Bewunderung werden wir herausfinden, dass wir als Partei Reformisten sind. Dass für die meisten der Zweck eben grade nicht die Mittel heiligt. Wir werden feststellen, dass die Gesellschaft sich in den letzten 100 Jahren so weit entwickelt hat, dass eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den Deutschen undenkbar – und „undenkenswert“ – geworden ist und dass wir zu bürgerlich für eine Revolution im luxemburgischen Sinne geworden sind. Jenseits des Kultes Luxemburg müssen wir feststellen, dass wir ihr nur bedingt  zustimmen würden, wenn wir sie heute träfen. Wir müssten ihr sagen, dass ihr Weg nicht der unsere ist.

Doch das ist nicht schlimm. Wir würden ihr gleichzeitig auch danken können. Für Ihren Kampf gegen soziale Missstände, der auch unser Kampf ist. Für ihren Einsatz gegen den Krieg und für die Menschen. Für ihren Mut und ihr strahlendes Vorbild. Dieser Mut ist auch heute noch von Nöten, denn der Kampf ist immer noch gegenwärtig. Doch ist es ein anderer Kampf zu anderen Konditionen. Und was wir immer im Kopf behalten sollten ist etwas, dass auch Frau Dr. Rosa Luxemburg schon wusste: „Sieh, dass Du Mensch bleibst: Mensch sein ist vor allem die Hauptsache. Und das heißt: fest und klar und heiter sein, ja heiter trotz alledem und alledem, denn das Heulen ist Geschäft der Schwäche.“
Christopher Kroll