Jüdische Häftlinge im KZ Columbiahaus
Von 1933 bis 1936 betrieben die Nazis in Tempelhof das KZ Columbiahaus.
Wahrend dieser Zeit durchlitten zwischen 8000 und 10000 Häftlinge diese Folterstätte. Als frühes Konzentrationslager diente es den Nazis als Terrorinstrument zur Zerschlagung, Verunsicherung und Inhaftierung von politischen Gegnern – also hauptsachlich der organisierten Arbeiterbewegung – und damit der eigenen Machtsicherung. Auch judische Menschen gerieten so, wenn sie politisch aktiv waren, in die Fange der Nazis und wurden im Columbiahaus in „Schutzhaft“ genommen. Die Diplom-Politologin Karoline Georg befasst sich in ihrer Dissertation speziell mit dieser Häftlingsgruppe.
Am 5.11.2012 berichtete sie im Rahmen einer vom Förderverein fur ein Gedenken an die NS-Verbrechen auf und um das Tempelhofer Flugfeld e.V. organisierten Ver- anstaltung von ihren bisherigen Ergebnissen, nachdem die Historikerin Dr. Irene von Gotz die Geschichte des Columbiahauses überblicksartig skizziert hatte.
Von Beginn an wurden die judischen Häftlinge von den Nazis deutlich schlechter behandelt als andere Häftlinge. Nicht nur, dass sie bereits fur geringere politische „ergehen“ inhaftiert wurden. Sie wurden auch ungleich massiver schikaniert und misshandelt. Anhand von Zitaten aus diversen Erinnerungsberichtenwurden die Haftsituation und mehrere Einzelschicksale judischer Haftlinge nachgezeichnet. Ab 1935 wurden die Boykottmasnahmen gegen Juden verscharft. Der Vorwurf "Rassenschande“ wurde ab diesem Zeitpunkt zu einem beliebten Haftgrund fur Juden.
In der Diskussion wurde problematisiert, wer denn überhaupt als judischer Häftling zu betrachten sei. Schlieslich empfanden sich ein Grosteil der von den Nazis als solche bezeichneten Menschen selbst nicht als Juden und hatten auch keinen Bezug zur judischen Religion. Fur die Nazis galten solche Menschen als Juden, die sie dafür hielten. Entsprechend war das Kollektiv der jüdischen Häftlinge von allen Häftlingsgruppen am heterogensten in Bezug auf politische, weltanschauliche und religiose Ausrichtung sowie gesellschaftliche Stellung. Schlieslich war das kennzeichnende Gruppenattribut extern und zwangsweise von den Nazis oktroyiert.
In den frühen Konzentrationslagern fand schon Anfang der 30er Jahre das statt, was gesellschaftlich in Deutschland erst zum Ende der 30er Jahre umfassend vollzogen wurde: die Ausgrenzung, Entrechtung, Misshandlung und Ermordung von Menschen aus rassistischen Grunden.
Andreas Brautigam