Nachbetrachtung zur Liebknecht Luxemburg Demo am 10. Januar 2021

Carsten Schulz

Die Durchführung der diesjährigen LL Demo war im Demobündnis umstritten: Aufgrund der Pandemielage hatte der Berliner Landesvorstand der LINKEN sein „Stilles Gedenken“ auf dem Friedhof der Sozialisten abgesagt und auf Mitte März verschoben.

Mit nur einer Stimme Mehrheit beschloss das Demobündnis, die jährliche Gedenkdemo für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht nun doch am traditionellen zweiten Sonntag im Januar durchzuführen.

Einige Bedenken eines Teils der Veranstalter hinsichtlich dieses Termins erwiesen sich als berechtigt: Die terminliche Abkopplung von dem traditionellen Gedenken des Berliner Landesvorstands nutzten einige Kräfte in der Berliner Polizeiführung, mit schon lange nicht mehr erfolgten Provokationen die Demo zu stören bzw. zu versuchen, sie zu zerschlagen.

Während in den späten 90er Jahren Symbole der PKK vorgeschobener Anlass zu Knüppelattacken gegen die Demo lieferten, ging am 10. Januar die Polizei mit äußerster Brutalität gegen die legal in der Bundesrepublik existierende FDJ vor, die in den vergangenen Jahren immer unbehelligt mit ihren Fahnen an der Demo teilnahm.

Begründung: Es gäbe den Anfangsverdacht des Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole, da die FDJ in einem Unrechtsurteil von 1951 von der braun eingefärbten Nachkriegsjustiz der BRD wie die damalige KPD und viele andere Organisationen der antifaschistischen und Friedensbewegung verboten wurde.

Mit Berufung auf dieses Unrechtsurteil wurden das Blauhemd tragende Jugendliche mit ‚Schlagstock und Reizgas immer wieder attackiert, mussten festgesetzte FDJ `ler mit verschränkten Armen und dem Gesicht zur Häuserwand „in der Ecke stehen“. Unglaublich, es wehte der Hauch des Kalten Krieges der Adenauer Ära an diesem Januarmorgen am Frankfurter Tor. Demagogisch und entlarvend zugleich die immer wieder drohend fordernden Ansagen der Polizei, die Corona bedingten Sicherheitsabstände gefälligst einzuhalten.

Das war schier unmöglich, kesselte doch die Polizei den Jugendblock der Demo, der sich schützend vor den ca. 30 FDJ lern stellte, ein und drängte einen Großteil der Demoteilnehmer zusammen..

Nur der beherzten Intervention der anwesenden linken Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke und Alexander Neu bei der Polizei und der Demoleitung war es zu verdanken, dass die Demo mit trotz Pandemie beachtlichen 3000 Teilnehmenden bis zum Ende nach Friedrichsfelde mit Maske und Sicherheitsabstand diszipliniert durchgeführt werden konnte.

Man muss das teilweise sektiererische Auftreten der heutigen FDJ, die in Straßenaktionen mit leuchtenem Blick im Stil der 50er Jahre die Menschen für die Revolution begeistern will, nicht mögen. Wenn aber das Zeichen der aufgehenden Sonne, das von den deutschen AntifaschistInnen im Exil für ihre damals parteiübergreifende Jugendorganisation kreiiert wurde, Anlass bietet, Jugendliche zusammenzuschlagen und mit Tränengas zu attackieren, ist Solidarität angesagt. Dabei ging es in erster Linie gar nicht um die FDJ, sondern um einen Versuch, eine linke Demo ohne den organisatorischen Schutz der Regierungspartei DIE LINKE in Berlin zu kriminalisieren und zu attackieren. Das haben auch der Berliner Landesverband und die Fraktionsspitze der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus erkannt, die den vom Innensenator zu verantwortenden Polizeieinsatz scharf kritisierten und betonten, dass durch den Einigungsvertrag alle in der DDR tätigen politischen Organisationen und somit auch die FDJ legal arbeiten können.

Bleibt nur zu betonen: Wehret den Anfängen! Und es müssen die politischen Unrechtsurteile der frühen BRD aus den 50er Jahren gegen KPD, FDJ, VVN und andere AntifaschistInnen endlich aufgehoben werden!

Nachbetrachtung: Durch den Polizeieinsatz gab es eine Premiere: So schützten Anarchisten erstmals Blauhemden der FDJ vor prügelnden Polizisten. Polizeigewalt solidarisiert Linke, die sonst keinen vernünftigen Satz miteinander sprechen können. Und: wo waren diesmal die KritikerInnen an den Polizeiübergriffen aus den Jahre 1989, z.B. viele Grüne und Sozialdemokraten, mit ihrer Forderung, „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“….?

Carsten Schulz