Ökonomisierung erfolgreich, Patient tot? „Lasst uns reden!“ -
Diskussion über Missstände im Gesundheitssystem und über das Wenckebach-Klinikum in Tempelhof

Stanislav Jurk

Für die regelmäßige Veranstaltungsreihe im „KIEZBÜRO Sebastian Scheel“ in der Kaiserin-Augusta-Str. 75 in Tempelhof, hat unser Abgeordneter im Abgeordnetenhaus von Berlin, Sebastian Scheel, am 23. November zwei Gäste eingeladen: Tobias Schulze, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus und Elisabeth Wissel, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Rathaus Schöneberg (BVV). Unter dem Motto „Gesundheit ist keine Ware! Wenckebach muss bleiben!“, fanden sich viele Interessierte für das Lokalthema, das als Beispiel aber auch mit dem allgemeinen Kliniksterben in Berlin und der gesamten Bundesrepublik verknüpft ist.

Das Wenckebach-Klinikum soll mit dem „Umzug“ in das 3,8km entfernte Auguste-Viktoria-Klinikum bis 2030 als solches nicht mehr bestehen. Die wichtige Notaufnahme ist, neben anderen Fachbereichen, aber bereits jetzt schon geschlossen. Und so ist es keine Seltenheit, dass Menschen in Not immer wieder an den Pforten des denkmalgeschützten Gebäudes abgewiesen bzw. an eine andere Notaufnahme verwiesen werden. Nicht nur durch diese eingetroffene Befürchtung, setzen sich in einer sehr breit aufgestellten Initiative, die sich vor allem auf zahlreichen Anwohnern rund um die Klinik stützt, viele Menschen für eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung ein.

Diese Erfahrung schürt weiterhin die Vorahnung, dass auch der geplante Bildungscampus und die ambulanten Versorgungsangebote, die den wohnortnahen Wegfall kompensieren sollen, ebenso bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden. Bei einem von Vivantes bezifferten Investitionsvolumen von etwa 340 Mio. Euro in zehn Jahren und einer im „Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA)“ eingestellten Summe von 10 Mio. Euro, erscheint das Bemühen um einen wohnortnahen Ersatz (und Bildungsausbau), gelinde gesagt, unglaubwürdig. In der Investitionsplanung ist das Projekt bisher nicht berücksichtigt.

Und doch zeigt sich am Beispiel Wenckebach das, was die meisten Menschen bei einem medizinischen Besuch in den Kliniken verspüren. Nämlich, dass die ökonomische und nicht die medizinisch fundierte Ausrichtung das Gesundheitssystem bestimmt. Nicht nur die Patienten haben dabei das Nachsehen. Über den berühmten „Drehtür-Patienten“ wird Ihnen jedes Krankenhauspersonal einen Vortrag halten können. Dort wo die Aufgaben größer werden (Stichwort Demographie und mehr Hitzetode durch die Klimaerwärmung) aber die Kapazitäten sinken, braucht es neben angemessenen Löhnen, auch Arbeitsbedingungen, die besonders durch die Umstände des Schichtdiensts ein Privatleben ermöglichen.

Eine kostendeckende Krankenhausfinanzierung auf Grundlage gemeinwohlorientierter und gut ausgearbeiteter Bedarfsanalysen, statt diagnosebezogener Fallpauschalen und Profitorientierung. Das hilft uns allen, auch dem Krankenhauspersonal. Ansonsten heißt es am Ende: Ökonomisierung erfolgreich, Patient tot!

Stanislav Jurk