Rape Culture im Jahr 2016

In diesen Tagen kann Frau sich oft nur verwundert an den Kopf fassen - wenn ihr nicht schon vor Wut die Hutschnur geplatzt ist. Aber erst einmal muss umrissen werden, was wir genau über Ereignisse zu Silvester am Kölner Hauptbahnhof wissen. Ja, es wurden Verbrechen begangen, und ja, die Polizei war mit der Situation anscheinend völlig überfordert.
Doch die Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof zum Jahreswechsel als singuläres Ereignis darzustellen, das von außen über das Land hereingebrochen ist, schadet den von Gewalt Betroffenen.
Plötzlich sprechen alle möglichen Medien von Rape Culture - und meinen damit etwas, womit sie selbst und Deutschland nichts zu tun haben. Rape Culture beschreibt eine Gesellschaft, in denen sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung verbreitet sind und weitgehend toleriert werden. Dabei ist es vollkommen egal, welche Hautfarbe oder Religion diese Täter haben.
Sexualisierte Gewalt passiert in allen gesellschaftlichen Schichten, sie findet zu allen Tageszeiten statt, an sämtlichen Orten und sie kann alle Geschlechter betreffen. Im Großteil der Fälle trifft es aber nach wie vor Frauen.
Wenn wir über die Ereignisse sprechen, müssen wir dies im Kontext von Rape Culture tun. Dazu gehört auch, die vielfach undifferenzierte Berichterstattung zu kritisieren, in der mitunter von „Sex-Banden“, „Sex-Attacken“ oder einem „Sex-Mob“ die Rede ist. Sexualisierte Gewalt hat niemals etwas mit Sex zu tun. Begriffe wie diese verschleiern den Machtaspekt, der immer mit sexuellen Übergriffen einhergeht. Genauso wie es journalistisch unverantwortlich ist, Zahlen zu verbreiten, die einfach nicht der Faktenlage entsprechen, dafür aber Afd, Pegida und Co. neues Futter geben.
Wichtig ist, dass wir diese Probleme als gesamtgesellschaftlich anerkennen und nicht so tun, als
würden sie ausschließlich von einzelnen Menschengruppen, etwa muslimischen Männern, ausgehen.
Niemand verneint, dass auch Männer mit Migrationshintergrund oder muslimischem Glauben Straftaten begehen. Aber esso darzustellen, als wären sie die einzigen und aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds besonders dafür prädestiniert, während für die Straftaten weißer Deutscher alle möglichen Formen von Erklärungen und Verharmlosungen gefunden werden, ist und bleibt rassistische Hetze - und muss auch so genannt werden.
Frauenrechte und Feminismus für rassistische Hetze zu instrumentalisieren, darf nicht Folge der Debatte in Deutschland werden.
Um eine Gesellschaft gegen eine solche Gewalt-Kultur zu sensibilisieren, kann zum Beispiel die Einführung einer geschlechtersensiblen Pädagogik vorangebracht werden. Denn schon von klein auf erfahren dort Jungen und Mädchen oft unbewusst, was in ihren jeweiligen Rollen als angemessen gilt. Auch eine Stärkung und Ausfinanzierung von Initiativen und Vereinen, die sich in Beratungsstellen und Frauenhäusern für die Opfer von sexualisierter Gewalt engagieren, ist längst überfällig. Denn diese arbeiten auch in Tempelhof-Schöneberg oft mit sehr geringen finanziellen Mitteln und sind häufig ehrenamtlich strukturiert. Wir dürfen nicht davor die Augen verschließen, dass in Deutschland Rassismus und Sexismus noch immer an der Tagesordnung sind.
Beides ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Es liegt an uns, dafür zu sorgen, dass wir nicht länger Nährboden für Diskriminierungen und Gewalt liefern. Dazu versuchen wir, in Tempelhof-Schöneberg mit einer aktiven Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik beizutragen.
Carolin Behrenwald