Schöneberger Norden im Wandel

„Keine Lust auf Berlins traurigstem Straßenstrich“, „Die Kurfürstenstraße ist jetzt nur noch halb kriminell“ und „Kurfürstenstraße – Berlins schlimmster Straßenstrich“ – das sind die Schlagzeilen, die man findet, wenn man nach Berichterstattung über den Kiez rund um die Kurfürstenstraße sucht.

Nun haben Investoren die Gegend unweit vom Potsdamer Platz für sich entdeckt und versuchen, die begehrte City-Lage in bares Geld umzuwandeln. Die neuen Projekte tragen klangvolle Namen wie „Carré Voltaire“ und „Kurfürstenhof“. Sie alle werben für sich mit dem Versprechen, hohe Wohn-Qualität so wie eine luxuriöse Ausstattung zu bieten, und mit hohen Sicherheitsstandards.

Projekte wie diese werden das Quartier nachhaltig verändern.

Durch die Neubauprojekte wird eine massive Aufwertung des Kiezes in Gang gesetzt, was vor allem steigende Mieten und eine veränderte Einzelhandels- und Gastronomiestruktur nach sich zieht. Dadurch wird sich auch die Zusammensetzung der Anwohner_innen im Kiez verändern und mit ihnen die Anforderungen an die soziale Infrastruktur vor Ort.

Was wiederum auch Auswirkungen auf die gewachsenen Selbstverwaltungsstrukturen, wie zum Beispiel das Kiezpalaver und den Quartiersrat, hätte. Könnten diese doch im Zuge der Entwicklung auf der Kippe stehen – denn höchstwahrscheinlich haben die neuen Eigentümer wenig Interesse an Mitsprache und Mitbestimmung „von unten“. Der Kiez würde glatter, weniger vielfältig – schlicht weniger interessant.

Auf jeden Fall soll durch die die Neubauprojekte der Straßenstrich vor Ort verdrängt werden. Orte, an denen die Frauen ihre Dienstleistung „verrichten“ können, sind jetzt schon knapp und werden immer seltener werden. So werden auf der einen Seite die Frauen gezwungen, in die Wohngebiete auszuweichen _ mit den bekannten Folgen von Beschwerden über Müll und Lautstärke. Oder sie werden in die für sie unsichereren Randgebiete der Stadt vertrieben und sind dort noch weniger geschützt vor Gewalt und Kriminalität und haben noch weniger Zugang zu Beratungsangeboten.

Wir wollen einen lebendigen, bunten Kiez, in dem jeder Lebensentwurf seinen Platz und seine Berechtigung hat, und keine anonymen Glas- und Stahlkonstruktionen hinter hohen Zäunen, in denen gut betuchte Mietenzahler_innen leben, die zwar das Geld haben, sich standesgemäß dort einzunisten, aber keinerlei Verbindung mehr zum Kiez und seinen Menschen haben. Der Kiez gehört den Menschen vor Ort, die sich jeden Tag dafür  einsetzen, dass er für alle lebenswert bleibt!
Carolin Behrenwald