Sozialistisches Magazin “Jacobin”: Radikale Politik verständlich machen

Martin Rutsch

Fragen von Martin Rutsch an Ines Schwerdtner, eine der Macherinnen von Jacobin

1. Am 1. Mai kam die erste deutschsprachige Ausgabe von „Jacobin“ heraus. Was ist Jacobin eigentlich und mit welchem Anspruch geht das Magazin an den Start?

Jacobin wurde 2011 in den USA als explizit sozialistisches Magazin gegründet. Schon nach den ersten Ausgaben zeigte sich der hohe Anspruch an Inhalt und Design, den wir auch in der deutschsprachigen Ausgabe anstreben. Mittlerweile ist das Magazin eine der führenden Publikationen der sozialistischen Linken, mit Schwesternzeitschriften in Italien und Brasilien.

Politisch geht es für uns darum, radikale Politik für möglichst viele Menschen verständlich und ansprechend zu machen.

2. Das Thema der ersten Ausgabe lautet: Jenseits der Sozialdemokratie. Hat sich die Sozialdemokratie innerhalb der politischen Linken überlebt?

Wir machen in der Ausgabe einen großen Rückblick auf die Verbrechen und Erfolge der Sozialdemokratie, insbesondere der SPD, um über sie hinausgehen zu können. Das Dilemma ist ja da: Einerseits wird sozialdemokratische Politik noch gebraucht, andererseits hat sie das ehemalige Milieu und damit sich selbst weitestgehend abgeschafft. Unsere These ist, dass wir als Linke vom Scheitern der SPD nicht profitieren werden und ihre Fragen in Teilen auch unsere sind.

3. Jacobin wurde in den USA gegründet. Was kann die politische Linke (groß- und kleingeschrieben) in Deutschland von der Linken in den USA lernen?

In den letzten Jahren gab es in den USA einen regelrechten Aufwind an sozialistischen Ideen, der ziemlich überraschend aber auch dringend notwendig war. Ich denke was wir von der Sanders-Kampagne und auch von den linken Medien dort lernen können, ist die Begeisterungsfähigkeit. Wir streiten uns hierzulande gern darüber, ob das nun Sozialdemokratie oder demokratischer Sozialismus ist, aber wir sollten uns doch eher die Frage stellen, wie wir Menschen für unsere Ideen begeistern können, mit Scharfsinn und auch mit Humor.

4. Hat Jacobin das Potential, verschiedene Traditionslinien der deutschen Linken zusammenzuführen?

Ich denke ja. Denn wir haben eine reiche Tradition an marxistischen Intellektuellen in Deutschland, die aber ziemlich abgekoppelt ist von jüngeren politischen Bewegungen wie der Klimabewegung. Ich hoffe, dass wir es durch unsere Mischung schaffen, diese Milieus zusammenzubringen. Uns bleibt keine Zeit mehr für linkes Sektierertum.

5. Bedarf es einer Wiederbelebung des Konzepts des demokratischen Sozialismus? Welchen Beitrag möchte Jacobin dazu leisten?

Auf jeden Fall braucht es eine Wiederbelebung. Wir können aber das amerikanische Verständnis nicht einfach kopieren, weil wir in Deutschland mit der DDR und dem westdeutschen Wohlfahrtsstaat zwei Modelle haben, an denen wir anknüpfen und uns auch abarbeiten müssen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, Vorschläge für einen demokratischen Sozialismus im 21. Jahrhundert zu machen unter Bedingungen des digitalen Kapitalismus. Da stellen sich alle Fragen von Arbeit, Planung der Wirtschaft und unser Zusammenleben neu. Insbesondere die Produktion muss angesichts der Klimakatastrophe ganz neu gedacht werden, wenn wir eine Chance auf ein gutes Leben haben wollen.

6. Wie sieht der weitere Weg für Jacobin in Deutschland aus? Was wird das Thema der nächsten Ausgabe sein?

Genau in diesem Sinne wird die nächste Ausgabe zukunftsgewandter sein. Ich kann noch nicht mehr verraten, aber es wird konkrete Vorschläge für sozialistische Politiken geben und ich bin schon sehr gespannt darauf.
Martin Rutsch