Tagung: Ecuadorianische Finanzmarktregulierung als Vorbild für Griechenland

Vertreter linker Bewegungen und Parteien, u.a. Tobias Baumann (Mitglied mi Bezirksvorstand DIE LINKE.Tempelhof-Schöneberg) debattierten am 30. November in Düsseldorf zur Frage “Brauchen wir eine Alternative zu Euro und EU?”

Die Referenten waren u.a. ein Europaparlamentarier der irischen Socialist Party (Europäische Linke), ein griechischer Linker, der Ökonom Lucas Zeise, Gründungsredakteur und ehemaliger Finanzmarkt-Kolumnist der Financial Times Deutschland, der italienische Menschenrechtsaktivist Gabriele del Grande und Tobias Baumann (Berlin).

Zeise, der die gegenwärtige Krise ebenso wie die der 1930er Jahre als “Umwandlungskrisen” bezeichnete, hob hervor, dass es die Eigenschaft eines freien Marktes sei, dass die Starken stärker werden, während die Schwachen ausscheiden und dass bei Kapitalverkehrsfreiheit wie sie seit dem Vertrag zur Europäischen Union (EUV, Maastricht, 1993) herrscht, die “übelste Wirkung des Kapitalismus” sich entfaltet, indem das Kapital dorthin ströme, “wo die höchste Rendite winkt”. Er bezeichnete das politische System der EU als “staatsfernes System”, das über kein supranationales Transfersystem verfügt. Zudem betonte er, dass in Maastricht 1992 die Vorherrschaft des freien Wettbewerbs auf dem neuen europäischen Binnenmarkt auf deutschen Wunsch beschlossen worden sei. Zeise erläuterte die reine Ausfuhrstrategie der deutschen Eliten und erklärte, dass dieser “Wettbewerb der Staaten” mit völliger Kapitalverkehrsfreiheit in Krisenzeiten den Wettlauf um die geringsten Sozialausgaben beschleunigen musste.

Baumann hielt einen Vortrag über die neue regionale Finanzarchitektur Lateinamerikas und die Lehren, welche die europäischen Völker aus den Erfahrungen der Bolivarischen Allianz für die Völker unseres Amerika (ALBA) ziehen können bezüglich des Kampfs gegen den Neoliberalismus. Er hob die antizyklischen Maßnahmen der Regierung des Präsidenten Rafael Correa hervor beispielsweise zur Stärkung der Genossenschaften und zur Regulierung des Finanzsektors. Er erwähnte das Antimonopolgesetz Ecuadors von Oktober 2011, ein Vorbild zur Demokratisierung der Märkte Europas. All diese progressiven Maßnahmen sollten als Beispiel für die Überwindung der sich zuspitzenden Krise etwa in Griechenland dienen, wo die Bankenrettungspolitik über den Interessen der Bevölkerung steht. Auch betonte er die Bedeutung der sozialen Rechte in den neuen Verfassungen Venezuelas, Boliviens und Ecuadors im Gegensatz zur politischen Ausrichtung der EU, welche von Anbeginn vorschrieb, dass der Wettbewerb frei und unverfälscht sein müsse. Zudem erklärte er, dass Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika bereits drei Jahre vor der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) in Frankreich dahin gehend Druck ausübten, dass eine Art Kartell der zentraleuropäischen Großindustrien eingerichtet werde, um einen europäischen Markt zu ermöglichen, auf welchem Finanz- und Unternehmer-Interessen vorherrschen.*

Träger dieser Konferenz waren u.a. die Marx-Engels-Stiftung und die Antikapitalistische Linke NRW und zu den Veranstaltern gehörten Einzelpersonen verschiedener linker Strömungen sowie u.a. die Linksjugend (solid) NRW.


*   Vgl. Prof. Dr. Annie Lacroix-Riz, L'intégration européenne de la France. La tutelle de l'Allemagne et des États-Unis, Le Temps des Cerises, Pantin, 2007, S. 54,78, 95.

Tobias Baumann