"Unrechtsstaat" - (k)eine Frage des Rechts?

Das Unrecht auf die andere Seite zu verbannen, hat diesseits der Mauer Tradition. Bereits 1963 titulierte der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke die DDR als Unrechtsstaat: „Wir, die wir nach der Hitler-Diktatur in einer rechtsstaatlichen Ordnung leben dürfen und als Partner der neuen Welt die Bundesrepublik nach unserem Welt- und Menschenbild aufbauen konnten, sind vor der Geschichte und vor unserem Gewissen verpflichtet, für die einzustehen, die noch immer einem Unrechtsstaat ausgeliefert sind.“

Lübke hatte zuvor als KZ-Baumeister Karriere im „deutschen Rechtsstaat Adolf Hitlers“ (Hans Frank) gemacht. Dieser „Rechtsstaat“ fabrizierte sechs Millionen ermordeter Juden und Millionen Kriegstote. Die beiden, die danach kamen – der „demokratische“ und der „sozialistische“ Rechtsstaat – stellten mit Sicherheit einen historischen Fortschritt dar, doch sind auch nicht frei von Ungerechtigkeiten. Einen gerechten Staat gibt es nicht. Recht ist abstrakt. Unrecht ist konkret: Wer tut was wem an? Und warum? Diese Frage hat mit Recht und Gesetz wenig zu tun. Daher ist der Unrechtsstaat auch kein juristischer, sondern ein politischer Begriff.
Isabel Erdem

Ein ausführlicher Text von Isabel Erdem zum Thema „Unrechtsstaat -(k)eine Frage des Rechts“ ist im „Forum Recht“ 03/12 erschienen und ist unter diesem Link zu finden: