Wahlen, Wahlen, Wahlen – Ändert sich etwas?

Stanislav Jurk

Im Februar wurde wieder nachgewählt. Gar nicht mitbekommen? Naja, betraf in Tempelhof-Schöneberg zehn Wahlbezirke in Schöneberg, drei in Tempelhof, ebenso drei in Mariendorf und zwei in Marienfelde.

Sowie die dazugehörigen Briefwahlbezirke. Knapp 20.000 der etwa 350.000 Einwohner in Tempelhof-Schöneberg waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Also insgesamt etwas mehr als 5%. Von denjenigen sind etwa 10.000 ihrer demokratischen Pflicht nachgegangen. Anders als Anfang des vergangenen Jahres, hat das Bundesverfassungsgericht also nur eine Teilwiederholung der Bundestagswahl für nötig befunden. In anderen Bezirken unserer Stadt hatte das sicherlich eine andere Relevanz und damit alltagsverständliche Berechtigung, da z.B. in Pankow großflächig nachgewählt wurde.

Es ist aber eine Schlappe für den Berliner Verfassungsgerichtshof, der für das letzte Jahr über eine vollständige Wiederholung der Abgeordnetenhaus- und Bezirkswahl entschieden hat.

Nichtsdestotrotz -Rechtsstaat ist Rechtsstaat. 
Liegt ein Wahlfehler vor, so gilt der Grundsatz, dass Wahlen „allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim“ sein müssen. Dieses Prinzip gilt es zu wahren.

Kein Widerspruch!

Für das Alltagsverständnis ist das aber doch schmerzhaft, da das alles auch einen Haufen Schotter kostet – zum dritten Mal! Von den dadurch entstandenen Millionenbeträgen aus Lohnfortzahlungen der 14 abgewählten Stadträte und Bezirksbürgermeister in den Bezirken ganz zu schweigen. ‚Lehrgeld‘ könnte man meinen. Zumindest für die SPD mit ihrem 2021
zuständigen Innensenator Andreas Geisel.

Angesichts der aktuell von der CDU/SPDSRegierung angestrebten Olympia-Bewerbung für 2036 in Berlin, den saftigen Personal- und Finanzspritzen für die obere Verwaltungsetage nach Amtsantritt im Mai oder die aktuelle Aufmerksamkeit auf die reichlich großzügige Vergabe von „Beauftragten“SPosten innerhalb der eigenen Reihen, könnten Zweifel aufkommen. Und doch hört man ständig, dass in Berlin gespart werden muss. Stimmt ja auch. In den Bezirken, beim Personal und bei den freiwilligen sozialen Einrichtungen – an Sozialarbeitern, Obdachlosenprojekten und Suchtstellen. Das habe mit den allgemeinen Preissteigerungen zu tun und die Steuereinnahmen würden nicht Schritt halten. In diesem Sinne sollte man ‚Lehrgeld‘ also uminterpretieren. Da die Lehren scheinbar nicht von der CDU/SPD-Regierung gezogen wurden, sollten das die Steuerzahler selbst tun. Nämlich mit Ihrer Wahl, wer über Ihre Steuergelder verfügt. Und da wir in Berlin nun so eingeübt sind, kommen im Juni die Europawahlen, im nächsten Herbst die regulären und im übernächsten Herbst die Berliner Wahlen auf uns zu.

Da wir aber eine Wahlwiederholung der Bundestagswahl kurz hinter uns haben und nicht die Berliner Wahl – bei deren Wiederholung 2023 die CDU satte 10% hinzugewinnen konnte – sind die aktuellen Ergebnisse von Interesse. Kurz gesagt: Es ändert sich im Bezirk kaum etwas. Was Die Linke bei der Zweitstimmenwahl angeht, so sind die Zugewinne (Vgl. zu 2021) in Schöneberg und Tempelhof von durchschnittlich 3% und bis zu 7% in den einzelnen Wahlbezirken erfreulich. Die Verluste MVgl. zu 2021Nin Mariendorf und Marienfelde in Höhe von durchschnittlich -0,8% und bis zu -2,6% in den einzelnen Wahlbezirken weisen auf den bekannten Umstand hin, dass die südlichen Ortsteile bedauerlicherweise weniger Sympathie für Die Linke haben als die nördlichen.

Außerdem ist interessant, dass die Briefwähler, über die Wahlbezirke verteilt, eine deutlich geringere Wahlnähe zur Linken empfinden, als die Urnenwähler das tun. So konnte Die Linke in den wiederholenden Wahlbezirken insgesamt 2% mehr Zweitstimme Urnenwähler gewinnen, bei der Briefwahl jedoch Abstriche von insgesamt etwa S0,6% hinnehmen (Vgl. zu
2021). Das weist unterm Strich auf einen positiven Trend hin, der bei etwa 1.000 für Die Linke abgegebenen und über 30 Urnen- und Briefwahlbezirke verteilten Stimmen, eine stichhaltige Prognose schwierig macht.
Stanislav Jurk