Zwangsverrentung § 12a SGB II

Anhörung vom 01. Dezember 2014 im Deutschen Bundestag beim Ausschuss für Arbeit und soziales.

Im Zuge der Agenda 2010, insbesondere mit der Zusammenlegung der   Arbeitslosenhilfe mit den Leistungsberechtigten/Beziehern von Sozialhilfe, trat genau das Gegenteil von den Erwartungen der SPD in Bezug auf die Arbeitsmarktentwicklung ein. Bis zum heutigen Tag verteidigen SPD und  Bündnis 90/Grüne die ALG II Gesetze, bekannt unter den Namen Hartz IV. Auch die CDU/CSU unternimmt keine Anstalten, in dieser Sache eine Änderung herbeizuführen, und trägt selbst zur Verschärfung der Gesetze bei.

Ausgangspunkt: In den Jahren 2002 bis 2004 gab es ca. 4,3 Mio. Arbeitslose/Erwerbslose (1), 1,5 Mio. Bezieher von Arbeitslosenhilfe (2) sowie 1,5 Mio. Bezieher von Sozialhilfe, das ergibt 7,3 Mio. Menschen ohne sozialabgabepflichtige Arbeit.

Die Situation im Verlauf der Jahre 2009/2010/2011,  ca. 5 Jahre nach der Gesetzgebung:
2,9 Mio. ALG I Leistungsempfänger(1), 6,7 Mio. ALG II Leistungsempfänger(1). Macht zusammen ohne viele Rechenkünste: 9,6 Mio. (Wobei die 1 Mio. bei AGL I in Maßnahmen Untergebrachten nicht in der ALG I Statistik aufgeführt werden)

Soviel zur "Verbesserung" des Arbeitsmarktes!

Die Situation unserer Rentner widerspiegelt natürlich diese aufgeführten Resultate des Arbeitsmarktes. In Deutschland leben derzeit ca. 15 Mio. Rentner(4) mit weniger als 850,- Euro Rente, die somit zuzügliche finanzielle Hilfe, wie Grundsicherung, beantragen müssen. Ausgenommen davon sind Leistungsbezieher von ALG II.

Der § 12a SGB II / Die Zwangsverrentung

Nachdem Anfang 2008 die so genannte 58er Regelung abgelaufen ist, die ältere Arbeitslose zum vorzeitigen Übergang in eine abschlagsfreie Altersrente verpflichtete,          baut sich das Problem der vorgezogenen Altersrente und der damit verbundenen     Altersarmut sukzessive auf.

Öffentliche Anhörung von Sachverständigen am 1. Dezember 2014 zu der Vorlage: Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Abschaffung der Zwangsverrentung von SGB-II-Leistungs-berechtigten“ (Bundestagsdrucksache 18/589)

Die Sachverständigen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund teilt die Forderung nach Abschaffung der so genannten Zwangsverrentung von Hartz-IV-Empfänger/innen. Es handelt sich um einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Lebensgestaltung einer Personengruppe. Durch die "Zwangsverrentung" droht ein Überwechseln der Personengruppe in die Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe) und nach Erreichen der Regelaltersgrenze dauerhaft in die Grundsicherung im Alter.

Der Deutsche Caritasverband lehnt die Möglichkeit, Leistungsempfänger mit Vollendung des 63. Lebensjahres auf die Beantragung von vorzeitiger Altersrente zu verweisen, ab. Ein Leistungsempfänger sollte wie ein nicht auf ALG II angewiesener Arbeitnehmer frei entscheiden können, ob er vorzeitig mit Abschlägen in Rente gehen möchte. Der Deutsche Caritasverband schlägt daher folgende Gesetzesänderung vor:
Die §§2 S.2 Nr.1 und 13 Abs. 2 SGB II sowie die Unbilligkeitsverordnung sind ersatzlos zu streichen.

Der Paritätische Gesamtverband unterstützt die Forderung nach Abschaffung der Zwangsverrentung von SGB II-Leistungsberechtigten uneingeschränkt. In der Zwangsverrentung sieht er einen unverhältnismäßigen Unterhaltsrückgriff und ein wachsendes Risiko verdeckter Armut.

AWO-Bundesverband e.V.: „Insgesamt begrüßen wir die dem vorgelegten Antrag zugrunde liegende Intention, die Verpflichtung zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente im SGB II zu streichen.

Im Verlauf der Anhörung der Sachverständigen empfand ich eine gewisse Genugtuung, widerspiegelte sich doch ein großer Teil des Inhaltes und der Forderungen der Petition vom 31.07.2014 bezüglich der Anschaffung des § 12a des SBG II. Dabei geht es ja auch um die Altersrente vieler Betroffener.

Denn längst ist den meisten klar, die Zwangsverrentung ist ein massiver Eingriff in Grundrechte und erworbene Rechte. Zwangsverrentung beschneidet das Recht auf freie Entscheidung und kommt einer Entmündigung der Betroffenen gleich.

Deshalb ist es mir unverständlich, dass ein Sachverständiger zu dem Urteil kam, Zitat: „Es wird aus sachverständiger Sicht empfohlen, von dem vorgelegten Antrag Abstand zu nehmen.“

Dass auch der Sachverständige von der Bunddesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände die Sichtweise auf die Steuerzahler lenkt und einem klaren Ja oder Nein aus dem Wege ging, war für mich nun nicht so überraschend.

Fakt ist, der Kampf unserer Bundestagsfraktion DIE LINKE, aller Unterstützer, Sympathisanten, tatkräftigen Mitstreiter und Unterzeichner der Petition vom 31.07.14 zur Abschaffung des §12a hat Bewegung eingebracht. Zumindest wurde öffentlich deutlich gemacht, die Agenda 2010 ist mit einer ganzen Reihe von Fehlentscheidungen behaftet und brachte genau das Gegenteil in Sachen soziales und Gerechtigkeit.
Jürgen Dahl

Quellen:             
1/  Bundesagentur für Arbeit,
2/  Bundesz. für politische Bildung/Statistisches Bundesamt,                             
3/   Institut für Wirtschaft