„Zwangsverrentung“ ein Fall ins Bodenlose

Die Frühverrentung, die das JobCenter (JC) seit einigen Jahren Leistungsempfängern nahelegt, kommt einer Zwangsverrentung gleich. In der Antwort des Bezirksamts auf eine Kleine Anfrage der Verordneten Elisabeth Wissel heißt es: „...dass die Inanspruchnahme der Altersrente frühestens mit der Vollendung des 63. Lebensjahres zu erfolgen hat.“

Häufig werden solche Versuche des JC auch vor dem 60sten Lebensjahr als Option angeboten, da besteht jedoch noch nicht die „zwingende Verpflichtung“, die der Gesetzgeber verlangt. Nach geltender Rechtslage muss auf mögliche Rentenansprüche zurückgegriffen werden, selbst wenn diese unterhalb des Grundsicherungsniveaus liegen. Diese Regelung ist zum Nachteil der Betroffenen, denn langjährig Beschäftigte und auch chronisch Kranke sollen eine Frühverrentung (die das Amt vornehmen kann) mit Abschlägen bis zu 14,4%, und das lebenslang, in Kauf nehmen, wenn von einer Rente mit 67 Jahren ausgegangen wird. Im Durchschnitt müssen dann finanzielle Einbußen von 100 Euro hingenommen werden. Obwohl JC einen Ermessungsspielraum in der Abwägung des Einzelfalls haben, ist die Zunahme von Frühverrentungen auffallend. So hat sich in Berlin die Zahl von 2008 bis 2013 (Jan. bis Nov.) von 595 frühverrenteten, erwerbsfähigen leistungsberechtigten 63-Jährigen auf 1388 mehr als verdoppelt. Darunter die Mehrzahl mit betrieblicher oder akademischer Ausbildung, wie aus einer Kleinen Anfrage von DIE LINKE aus dem Abgeordnetenhaus hervorgeht. Insgesamt signifikant angestiegen ist dabei die Anzahl der Grundsicherungsempfänger im Alter, 2013 sind es über 70.417 betroffene Männer und Frauen, die von ihrer Rente nicht leben können. Der Senat bestreitet die Gefahr, „dass durch die mögliche frühere Verrentung die Altersarmut verstärkt werden könnte.“. Dabei ist es offensichtlich, dass Menschen, die von Grundsicherung leben müssen, schon jetzt nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt, in Anbetracht steigender Mieten und Lebensmittelkosten, bestreiten sollen. Auch sollen sie weiterhin der Aufforderung nach Kostensenkung bei der Miete nachkommen. Ein weiterer Nachteil der sogenannten Zwangsverrenteten ist, dass sie zunächst selbst ihre möglichen Versorgungsvermögen wie private Altersversicherung und kleine Sparguthaben frühzeitig aufbrauchen müssen. Ebenso sind die nächsten Familienangehörigen für die Versorgung zuständig, und erst ab 65 Jahren kann bei vorheriger Bedürftigkeitsprüfung ein Antrag auf Grundsicherung im Alter gestellt werden. Gehäuft gab es Klagen gegen aufgezwungene frühzeitige Verrentungen beim Sozialgericht. Die Kläger sahen kein „Ermessen“ des Einzelfalls mehr, sondern vielmehr eine systematische Vorgehensweise der JC. Auf jeden Fall sollten Betroffene Widerspruch beim Sozialgericht einlegen. Auch wenn sie keinen Erfolg haben sollten, ist ein Zeitgewinn auch schon ein kleiner Erfolg. Für die Kommunen bedeutet ein Zuwachs von Grundsicherungsempfängern oder Menschen, die dann über das Sozialamt Leistungen beantragen müssen, weil sie auf keinerlei Ressourcen zurückgreifen können, einen enormen Kostenanstieg. Eine Wirtschaftlichkeitsrechnung im Sinne der Kommunen wurde dabei nicht vorgenommen, nach Auskunft von Andreas Aust (Referent von DIE LINKE für soziale Sicherung im Bundestag). Zwangsverrentung ist entmündigend und ungerecht für die Betroffenen, für die Kommunen bedeutet sie eine unverantwortliche Bürde.

Elisabeth Wissel